Zwei stimmige und informative Gedichtbände
zum afrikanischen Geschehen und Ringen
Chirikure Chirikure, Aussicht auf eigene Schatten. Gedichte. Englisch-Deutsch. Deutsch von Sylvia Geist. Mit CD. 2011. .Afrikawunderhorn Verlag, Heidelberg 2011. 118 S. EUR 18.90 Sfr. 27.50
Muepu Muamba, Sisyphos im Lärm der Stille. Eine Anthologie. Hsg. von Barbara Höhfeld. Mit Brief con Patrice Nganang. Draupadi Verlag, Heidelberg 2012. 190 S. ca. EUR 20.-
Das sind zwei Gedichtbände, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Muepu Muamba (geb. 1946 in DR Kongo; seit 2000 lebt er in Frankfurt) liebt das lange und dauernd in sich zurückkehrende Gedicht des Umschweifens. Er stammt aus dem Kongo, lebt in Deutschland, spricht und schreibt Französisch, schreibt alles von Hand und kommt langsam sozusagen die Stromschwellen hinunter. Er klagt und klagt an. Er versteht manches nicht und hofft mit Hilfe des Gedichts, etwas von dieser eiskalten Welt zu verstehen, dichtet, um nicht selbst einzufrieren.
2 Beispiele, beide sind Ausschnitte.
1. Aus Die Brücke (83-5)
Eine einzige Liane
die kriechend
schlängelnd
sich langsam vorstreckt
um andere Flüsse anderer Erden
fremder Ströme
zu erreichen
Aber es ist so schwer
einen Brückenbogen von einer Haut
zur anderen zu flechten
Ufer so weit voneinander entfernt
wie zwei unberührbare Galaxien
2. Herz von einem Freund zu borgen (81-2)
Gekommen war ich
ins Land von Saint-Juste
Herz von einem Freund zu borgen
ein Herz solidarisch das mir helfen könnte
zusammen
den dumpfen Schmerz derer dort unten
kundzutun
... ...
Was ist aus dieser mir
versprochenen Gleichheit geworden
zwei Jahrhunderte sind vergangen und
zweitausend Jahre schon
sind selbst die brüderlichen Katakomben leer?
Chirikure Chirikure (geb. 1962 in Gutu, Zimbabwe, schreibt in Shona und Englisch, lebt in Zimbabwe) mäandert, wiederholt, litaneimässig, ruhig, wie ein N’ganga in den Chimanmany Mountains, umkreist und greift in der Stille zu. Ein hervorragendes Beispiel ist das Gedicht Wir Bomben (66-68), das so beginnt:
Einer sagte, reden dauert zu lange, gebraucht die Fäuste
Ein Zweiter sagte, Fäuste sind zu schwach, gebraucht besser Steine.
Der Schluss bricht in traurigen Jubel um:
Wir bomben!
Wir bomben!
Wir bomben!
Ihm gelingt es, schwierige politische Probleme im Gedicht treffend zu erfassen, etwa in Machtverhältnisse (64/5):
du magst dich ein wenig wundern
sogar etwas belustigt sein über den Hang
von Hunden, um einen Knochen zu kämpfen
während es reichlich Fleisch gibt
was die Hunde dazu bringt
einander anzuknurren, gar zu verletzen
ist ein Spiel um Machtverhältnisse
ungeachtet des Hungers
aus dem selben Grund
werden rund um den Globus Konflikte
mit infernalischer Heftigkeit ausgetragen
flutet der Blutfuss die Flüsse
Chirikure arbeitet mit viel Spott, ab und zu sogar mit etwas verstecktem Zynismus, etwa in Schwarze Kneipen (58/59)
schwarzen Kneipen geht
das erschwingliche Bier aus
schwarzen Kneipen geht nie
der beissende, geistreiche Witz aus
bis zu dem unwahrscheinlichen Tag
an dem dieser Erde die Politiker ausgehen
Beide Dichter – ob drinnen oder draussen, ob auf Französisch oder Englisch den Fluch der Gegenwart beschwörend, ob klagend an den Flüssen oder versteckt in den Bergen – versuchen dasselbe: Mit dem Gedicht sich Luft zu machen, zu überleben und selbst dem dümmsten Diktator etwas abzutrotzen.
Wer Afrika tiefer verstehen möchte, muss sich der überwältigenden Masse afrikanischer Gedichte annehmen...
Nur schon zwei übersetzte Bände sind für uns ein Kultur-Geschenk.
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Al Imfeld©
18. Juli 2012