Warnender Ansatz
Das Wort MISSION ist in der abendländischen Tradition eindeutig mit einer religiösen Bedeutung behaftet. Mission fusst nach christlicher Tradition auf dem Bibeltext Mt. 27. Doch meint da "Welt" das Römerreich, denn es war die Welt damals; dazu ist diese Bibelstelle eine Rechtfertigung des Paulus-Unternehmens und gleichzeitig eine Stütze für ihn.
Auch wo heute an anderen Orten Mission benutzt wird, ganz stark in der Diplomatie, steht wie im Feudalismus Gott dahinter und meint ursprünglich etwas Sakrales.
Man kann daher dieses Wort MISSION nicht einfach unter anderen Begriffen weiterführen, um es zu erhalten. Einige meinten bestimmt gutwillig, wir könnten Mission mit EZA ersetzen oder als Entwicklungshilfe weiterführen. Im Wort Mission ist mindestens etwas Wandel, meistens aber Bekehrung enthalten. Die ganze Geschichte der letzten 2000 Jahre Christentum schwingt im Begriff mit.
Im Begriff Mission schwingt das bis bis zu Französischen Revolution geltende Prinzip "Der Herrscher entscheidet über den Glauben der Untertanen (cuius regio eius religio) mit. Der Kolonialismus lebte noch von diesem Grundsatz. Dieser gilt heute noch absolut im Islam.
In dieser langen Zeit der Kirchengeschichte verbündete sich Mission immer wieder und stets anders mit Macht. So konnte sie sich genial hinter dem kolonialen System verstecken - und merkte es nicht. Der Kolonialist gab ihr grosse Freiheit, vereinnahmte sie jedoch ganz perfide. Die weltliche Macht überliess der Mission das Schul- und Spitalwesen. Unkritisch übernahm die Mission das von der Kolonialmacht vorgegebene Schul-Curriculum; die kolonialen Zentralen stellten die Schulbücher zur Verfügung, die Verwaltung anerkannte Abschlüsse, wobei selbst der Examensstoff von der Kolonialmacht kam. So lernten die Kinder in der Frankophonie, dass sie von den Galliern abstammten. Im britischen System hatte bloss die Geschichte des Empire Platz. "Afrikanisches" - so lehrte die gesamte westliche Wissenschaft bis in die 1950er Jahre - gab es gar nicht - weder Religion, noch Geschichte, noch Landwirtschaft.
Spüren Sie, wie unkritisch und naiv MISSION das Christentum verkündete. Ob das überhaupt noch Christentum war oder vielmehr ein Christentum unter dem Schutz der politischen Macht und daher auch dementsprechend geprägt? Man hat mit grösster Hektik die Bibel in einheimische Sprachen übersetzt und hat damit sogar die einheimische Sprache kolonisiert. Es klingt heute mehr als gewagt, ein englischer Forscher und Missionar hätte innerhalb eines Jahres einen Grossteil der Bibel in eine Sprache von Pastoralisten im Kerio Valley (Kenia) übersetzt.
Missionare wie Forscher sahen, ohne zu hinterfragen, einfache Stämme. Sie erkannten nicht, dass es wie etwa in Rwanda-Burundi nicht zwei verschiedene Stämme, sondern verschiedene Agrarkulturen waren, wobei Hackkultur neben Hirtenkultur, wie es sich weltweit zeigt, sich nicht nebeneinander ertragen. Je nach Arbeit - das kennen wir bestens von den Appenzellern oder Obwaldnern - formt sich der menschliche Körper anders, bleibt eher zurück, gebückt oder wächst hochstämmig.
Schon durch einen falschen und ideologisierten Stammesbegriff und fragwürdige linguistische Zuteilungen (etwa der Begriff hamitisch) sind viele Bibelübersetzungen eher Projektionen denn Übersetzungen. Ich möchte sagen: Ein kolonisiertes Evangelium.
In all dem ist subtiler Kolonialismus mehr als wahres Christentum enthalten. Meine vorausgehende Warnung heisst daher: Mehr Vorsicht im Umgang mit Sprachen und erst recht mit einzelnen Worten. Zu diesen heissen Worten gehört MISSION. - genauso wie Gnade, Sünde oder gar Erbsünde.
Missverstandene und verachtete Mündlichkeit
Die Protestanten waren stolz, denen, die scheinbar keine Schrift besassen, das geschriebene Wort zu bringen. Die meisten merkten nie, dass sie damit ein juristisches Christentum pflegten, wobei sie Wort für Wort aus irgendeiner Stelle im Alten oder Neuen Testament wie im Lexikon - ohne Kontext - abriefen, also wie Paragraphen aus dem Gesetzbuch, magisch Bibelworte zitierten. Ironischerweise sage ich: magischer als die sog. Heiden waren die Bibelchristen.
Mission hat mitgeholfen, Sprache zu zerstören. Mission hat auch in dem Sinne kolonisiert, dass sie vorhandene Worte zu den "ihren" machte. Die meisten Worte haben in einer anderen Sprache eine andere oder erweiterte Bedeutung; oftmals gibt es gar kein entsprechendes Wort. Ich nehme aus den Bantusprachen das Wort muntu heraus. Dieses wurde von den Missionaren als Mensch oder Individuum -natürlich im westlichen oder indogermanischen Sinn - übersetzt. Doch es gibt in der Bantu-Kultur den Einzelnen, der ganz allein oder gar isoliert ist, nicht. Ein Mensch ist stets Teil eines Wir; ohne Wir gibt es den Menschen nicht. Im Deutschen kommt das man dem Wir vielleicht am nächsten.
Genauso verhält es sich mit dem Begriff Sünde: keine Person ist allein an etwas schuld; wir alle sind mitbeteiligt. Daraus ergibt sich ein anderes Rechtsverständnis. Das haben in Südafrika Nelson Mandela und Bischof Desmond Tutu in der Truth and Reconciliation Commission wirksam werden lassen, wo es nicht um das Bestrafen Einzelner ging, sondern um das Begreifen einer verwirrten Geschichte mit fatalen Verknüpftheiten. Auf solchem Hintergrund können die meisten Afrikaner den Haager Gerichtshof im Dienste der Menschenrechte nur schwer verstehen.
Wer durch Überstülpen unserer herrschaftlichen Bedeutungen derart Sprache zerstört, kolonisiert, ist eurozentrisch und letztlich arrogant und verachtet und zersetzt ganze Kulturen. So fiel, trotz vielleicht guten Willens, die ganze Ordnung auseinander. Wie der grosse Schriftsteller aus Nigeria, Chinua Achebe, schrieb: Things Fall Apart.
Man meinte, mit dem Buch zu zivilisieren; man erhob das geschriebene Wort über alles. Mündlichkeit galt nur noch als Geschwätz und kam dem Reich des Bösen nahe.
Oder muss der Mensch, um zur Erlösung zu gelangen, durch Zerstörung hindurch?
Wir sehen vielleicht in den vielen afrikanischen Kirchen (über 50'000 auf dem Kontinent), vor allem in den Heilig- Geist-Kirchen einen massiven Aufstand gegen das schriftliche Wort und/oder das Buch. Man pflegt Glossolalie; man kehrt zur biblischen Geschichte zurück. Man erzählt lieber, behält den Kern, umtanzt diesen mit Ausschmückungen
Der Ire Patrick Galvin (gest. 2000), ein bescheidener Linguist in Rhodesien/Zimbabwe, der bis zum seinem Tod sich weigerte, ein Buch über die Bantusprache (Karanga) zu schreiben, meinte, dass die Missionare wegen der Bibel das Zuhören verlernt und vergessen hätten. "Man hat dauernd unsere Bedeutungen ihnen überstülpt. Wir suchten nach Worten, die zur Bibel passten. Man suchte einfach eine biblische Stelle, die irgendwie - immer eingezwängt - passte," sagte er in voller Demut.
Nach einem Kahlschlag kann dennoch Neues keimen
Nun treten wir europäischen Missionare ab; wir sterben aus. Vielleicht taten wir das, was wir nicht anders konnten. Hat es uns in diesem vielleicht ewigen Äon als Zwischenglieder gebraucht? Wir kamen in vielfacher Bedeutung von aussen, waren Outsider; wir mussten Kommunikationsprobleme haben. Wir wollten Dialog, doch mit dieser Haltung entsteht niemals Dialog. Dialog kommt nie von oben, sei es von Gott oder von Europäern.
Was ich hier sage, ist spekulativ, ich weiss es. Doch ich bin der Ansicht, dass wir soweit als möglich alle Sicherheiten für einen Moment verlassen, mehr wagen, mehr experimentieren sollten. Ja, wir müssen nicht von etwas Gegebenem ausgehen, denn selbst Gott steht nicht unwandelbar fest am Anfang.
Gott verstand wohl seit Beginn der Menschheit vor 1 Million Jahren sich anzupassen, ohne dass er etwas von Glanz und Würde verlor. Alle Menschen besitzen einen Glauben, der gepflegt und angepasst werden muss. Dauernd. Gott weist in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit.
Lächeln muss wohl Gott in allen Variationen, wenn wir Menschen aus ihm nur EINEN machen. Er schuf die Vielfalt; Gott ist der multikulturelle. Diese Wirklichkeit spiegelt sich in zwei mir bekannten Religionen wider: im Hinduismus und bei den Yoruba. Wole Soyinka, nigerianischer Literaturnobelpreisträger, lebt mit drei Religionen, obwohl sein Vater anglikanischer Gemeindevorsteher war.
Gott lächelt und ist wohl traurig, wenn wir Menschen aus den verschiedenen Religionen EINE machen wollen. Für Gott sind diese keine Konkurrenz und stehen in keinem Wettbewerb. Sie sollen sich nicht gegenseitig ausschalten. Aber das Menschliche will es so, und so entstehen aus Mission immer wieder neue Religionskriege: im Christentum, im Islam, im Hinduismus, sogar im Buddhismus... Religionen werden eigentlich immer wieder zu politischen Parteien in einem gehässigen Wahlkampf.
Nur in einer Weltreligion gab es keine Religionskriege: der afrikanischen Religion und Spiritualität. Afrikanische Menschen südlich der Sahara lebten mit zwei oder gar drei Religionen -miteinander und ineinander. Afrika kennt keine Religionskriege. Erst fanatische Araber von heute bringen dieses traurige Element hinein, indem sie predigen, dass der afrikanische Islam nicht vollwertig sei, nicht rein, sondern durchmischt, enthalte zu viel alten Zauber ... Hier sehen wir klarer als bei uns selbst: Mission ist ein Minenfeld.
Zur Vielfalt der Religionen
Für mich besitzen alle Kontinente, die ja bis vor kurzem voneinander abgeschnitten waren und nichts voneinander wissen konnten, zwei oder mehr Religionen je nach Landwirtschaft und Handel. Menschen haben von Anfang geglaubt, haben sich religiöse und spirituelle Systeme geschaffen. Sie alle suchten weltweit nach Sinn und nach mehr, nach dem Darüber und Darunter...nach einem Kosmos mit der Vielfalt der Sterne und Planeten.
Monotheismen können nicht als Fortschritt betrachtet werden; sie sind vielmehr das Abbild einer Macht dahinter, die Einheit so verstand, dass es nur EINEN GOTT darüber geben konnte. Kaiser schufen auch ihren Gott -- und Gott liess es zu.
Ein sehr anschauliches Beispiel haben wir in Kaiser Konstantin, der 312 den Gegner besiegte und überzeugt war, obwohl er kein Christ war, dass der neue Gott Jesus Jupiter abgelöst hatte. Er glaubte: in hoc signo vinces und so befahl er den Untertanen, das Christentum anzunehmen, da es für ihn die neue Formel der Einheit war. Es war pragmatische Machtgestaltung und keine Bekehrung. Historisch können wir heute sagen: Ein Pyrrhussieg, denn anstatt Menschen zu erlösen wurden sie unterworfen. Es handelt sich also um eine Vergewaltigung sowohl von Gott als auch von Menschen. Wir Christen (natürlich nicht nur wir) kämpften für einen Gott, den es so gab nie gab und der eine Projektion eines politischen Machtsystems wa.
Monotheismen waren möglich in einem feudalen System, wo von oben befohlen wurde und die UNTERtanen gehorchten und keine Fragen zu stellen hatten. Man befahl von oben, was alle zu glauben hatten. Cuius regio eius religio. Ein Prinzip, das der Islam bis heute durchzieht.
Die Kolonialisten, ob Briten, ob Franzosen, ob Portugiesen gebrauchten das Christliche als ein Band der Einheit und auch der Rechtfertigung. Es ist soziologisch interessant zu beobachten, das es stets je nach Kolonialmacht ein anderes Christentum war. Es gab Vielfalt der Religion schon längst - mindestens auf dem afrikanischen Kontinent.
Der Wunsch nach dem EINEN GLAUBEN ist eine ewige Illusion. Er findet sich gar in der heutigen Flüchtlingspolitik der Schweiz, obwohl diese ein Vorbild der Vielfalt sein könnte. Wir erleben diesen Wunsch und das Spiel in der heutigen ökumenischen Bewegung. Natürlich wird nie eine Religion sich selbst aufgeben. Schon weil Institutionen nie sterben, bis sie keinen einzigen Anhänger mehr haben. Man kann auch nicht die Reformation rückgängig machen. Geschichte ist weder korrigierbar, noch lernt man aus ihr.
Alle Religionen entwickeln viele - um es buddhistisch zu sagen - Fahrzeuge.
Man sagt zwar einerseits, es gäbe nur einen Islam, doch spaltet sich der Islam weltweit in gegen 1000 Variationen von Schulen auf.
Unter diesem Aspekt müsste das Christentum gar nicht so verkrampft eine Einheit beschwören. Die Einheit liegt in Jesus Christus - nicht einmal in Gott, den keine/r je sah. Das Neue Testament enthält vier Evangelien; jedes mit einer eigenen Spiritualität. Also ist eine Vielfalt vorgegeben; und man bezeichnet es nicht sofort als Spaltung. Ja, Vielfalt ist sogar gewollt. Beispielhaft vorgegeben in den vier Evangelien im Neuen Testament. Jeder Verfasser eines Evangeliums besass eine andere Spiritualität; jeder variierte die ungeheure Vielfalt Jesu - von Markus bis Johannes. Was alle eint, das ist der Geist Jesu, nicht sein Gesetz. Ist die neue Eucharistia.
Warum wird Multikultur dauernd negativ dargestellt? Die Zukunft liegt in der Mischung d.h. ein Heraus aus der Einseitigkeit und das wiederum bedeutet. eine Übernahme aus Respekt gegenüber anderer Ansichten oder anderen Ideen, Versuchen, Interpretationen. Das ist nicht Willkür sodern Interaktion. Das ist nicht Eklektizismus sondern ein Begegnen. Es verhält sich ähnlich wie beim Essen. Wer aus anderen Kulturen isst, respektiert sie. Wir essen diese nicht auf, nein, wir respektieren sie und partizipieren dadurch ein wenig. Dennoch behalten wir und sie weiterhin das Unsere oder Ihrige. Und unser Tisch wird reichhaltiger.
Damit kann langfristig etwas von dieser tiefen Angst vor dem Anderen und den Anderen abgebaut werden. Das ist der Aufruf: Andere zu Nächsten zu machen.
Totale oder radikale Bekehrung gibt es nicht
Im Christentum wurde und wird viel von Bekehrung (Umkehr, Abkehr, Übertritt) geredet. Doch was bedeutet bekehren? Eine radikale Bekehrung wäre ein schizophrenes Phänomen. Menschen verändern sich langsam, aber sie lassen nie alles hinter sich; sie sehen es höchstens in einem anderen Licht. Alles Vorherige (selbst das Historische vor langer Zeit) ist mehr oder weniger im Inneren oder in der Tiefe des Menschen vorhanden.
Werdet sehend!
Das ist (auch) das Material der Träume. Doch es gibt viele, die verdrängen diesen Schatz krampfhaft. Das hat nichts mit metanoia zu tun. Diese schliesst ein, dass man selbst das Dahinter oder das im Hinterkopf Vorhandene zu sehen und anzuerkennen lernt.
Metanoia mag eine Umkehr und/oder Abkehr sein, doch primär ist sie eine Horizonterweiterung (werdet sehend); Menschen werden aus der Enge, der Verklemmung oder Teilblindheit sachte herausgeholt mit allen Formen der Aufklärung.
Man könnte mit Fug und Recht sagen: Werdet sehend! Und schon sind wir ganz nahe dem Neuen Testament. Dieses Sehendwerden ist etwas anderes als sich bekehren. Ich sehe die weite Welt und ich eine sie damit ein wenig; die Tradition vergass diesen Aspekt ein wenig.
Bekehren hat nichts mit einem Eintritt in die Blindheit und nicht mit Unterwerfung oder mit blindem Glauben und Gehorsam zu tun. Echte Metanoia kommt dem Begriff Aufklärung näher als dem Glauben. Echter Glaube wird dauernd durch Debatten, Diskussionen und Zweifel unter die Lupe genommen.
Man kann Bekehrung nur gelten lassen, wenn ich diese als ein Umkreisen einer Weisheit (Wahrheit gibt es nicht) handhabe. Das schönste Beispiel ist für mich noch immer der japanische Holzschneider Hokusai, der den Fujiama 100 mal anders aus anderer Sicht darstellte (One Hundred Views of Mt. Fuji; 19. Jahrhundert). Fuji bleibt Fuji von welcher Seite auch immer er betrachtet wird. Genauso wie mein Napf Napf bleibt, ob man ihn aus der Emmentaler Seite oder aus der Entlebucher oder Hinterländer Seite her ins Auge nimmt. Ich komme damit zurück: Bekehrung engt nie auf EINS - nur ein; echte Bekehrung öffnet die Augen, um von Tausenden und Tausenden von Ansichten etwas Grundgegebenes (Fuji, Napf, Gott) zu sehen.
Vielleicht ginge es viel mehr um die Suche nach Gemeinsamkeit, um ein Wir, um das, was die Bantu-Theologie ubuntu nennt, d.h. keiner lebt allein, ist Teil eines Wir (und dieses muss nicht Kirche sein! Zu einem WIR gehört mehr), und ohne dieses Wir gibt es das Ich nicht. Es gibt kaum Individuation ohne ein Wir als Hülle oder Hintergrund.
Zusammen oder auf solche Art integriert, können Ängste eingedämmt werden. Zusammen halten wir es aus!
Zu was bekehren sich die Betroffenen?
Bei einer bisher nicht veröffentlichten Umfrage der Northwestern Universität, Evanston-Chicago im Ostkongo, in Zimbabwe und Ghana wurde die eine Frage gestellt: Warum habt ihr euch dieser und nicht einer anderen Kirche angeschlossen? So wurde fast überdeutlich klar, dass es selten ein innerer oder spiritueller Akt, sondern etwas Äusseres war. Hier sind die häufigsten Antworten:
- damit ich im Leben Erfolg habe;
- damit ich reich werde;
- damit ich meine Kinder in eine bessere Schule bringen kann:
- ich liebe einmal in der Woche diese interessanten katholischen
Gottesdienste, denn ich mag dieses trockenen Predigten und dieses ewige
Betonen von Sünde nicht;
- bei dieser Kirche erhalte ich mehr Hilfe;
- diese Kirche verspricht Krankenheilung;
- ich will vor der Hexerei der anderen beschützt werden; usw.
Es zeigte sich, dass für über 80% der Gläubigen "das Reich Gottes" etwas Soziales oder Politisches war; ein Gegenstaat; und dass dieses Reich bald auf Erden entstehen würde (Nah-Erwartung).
Afrikas Menschen verstehen Himmel als einen Ort "versteckt" im Urwald oder in der Wüste, die dann fruchtbar wird.
Unter Glückseligkeit verstanden sie meist irdisches Glück; andere Vorstellungen waren wirr, denn Afrikas Menschen gehen wohl alles konkret an. Handfestes zählt einerseits; andererseits leben sie stark in Mythen, die die Hl. Schriften wörtlich und als historisch aufnehmen.
Von Rudolf Bultmann und seiner Entmythologisierung der Heiligen Schriften sind noch kaum etwas nach Afrika gedrungen. Der kongolesische Philosoph und Theologe Kä Mana beschreibt in einem Buch die 10 Mythen mit denen Afrika lebt. Von Aufklärung oder neuer Sicht - einer Doppelsicht) ist bis heute in allen Schichten, am meisten oben und unten, kaum etwas zu finden. Die Missionierung hat hier definitiv versagt. Dieser Ansicht war auch mein Doktorvater Paul Tillich, Chicago und New York). Ein Satz von ihm: "Das Christentum hat vor der Wirklichkeit blind gemacht."
Alle Befragten gaben zu, dass sie während der Woche ihren Ahnen verpflichtet seien.
Missverstandene Begriffe
Das "neue Reich Gottes" ist ein gefährlicher Begriff, denn damit - ungewollt - begibt man sich ins Politische hinab; in diesem Bereich wird gekämpft; es wird gesagt für Gott, doch Gott hat keine Eroberungszüge notwendig.
Kurz: Mission ist schon deshalb gefährlich, weil sie durch Missverständnisse zu unnötigen Anfeindungen, sogar zu Krieg Anlass gibt. Im Christentum wie im Islam werden zu viele kriegerische Begriffe und Bilder verwendet. Warum auch sollten wir Soldaten Christi sein? Warum sollten wir - sogar für Gott - zum Schwert greifen? Wir alle sollten einmal sehr vorsichtig durch unsere heiligen Schriften gehen.
Ein für allemal: Menschen haben nichts für Gott zu erobern oder für Gott in den Tod zu gehen.
Ein weiterer missverstandener Begriff ist WELT. Ich könnte gar so weit gehen und behaupten, dass die Zeit Jesu und danach von welt- und körperfeindlichen Kräften umgeben war. Es war der Raum wo die mittelöstlichen Einflüsse von Zoroaster und Mani, auch das jüdische Feld der Qumraner, versinnbildet durch Johannes den Täufer. Könnte in diesem Kontext Jesu eher gemeint haben: "Sagt Ja zur Welt! Bezieht diese Welt mit ein! Warum denn bin ich Mensch geworden?" Die ersten Konzile von Antiochien (324) und Nicäa (325) bis Chalcedon (451), wo der Streit zwischen göttlicher und menschlicher Natur Jesu beigelegt werden konnte. Synoden und Konzilien (etwa 50) mussten einen Kompromiss finden, wenn nun eigentlich dieser Jesu war; mussten sich wehren gegen diese Verachtung des Körperlichen, Menschlichen und Weltlichen. Sie kamen zu stark von der Gnosis her, obwohl Jesus beileibe kein Gnostiker war.
Welt war damals kaum ein geografischer Begriff. Man könnte also folgern, dass es eher hiess: "Habt festen Boden unter euren Füssen; bleibt in dieser Welt, genauso wie Jesus Mensch (und nicht Geist) geworden ist. Menschwerdung ist nichts Böses. Auch die Welt ist nichts Böses; auch sie ist Göttlichen Ursprungs!
Wir alle haben hier auf dieser Welt eine würdige Form des Zusammenlebens zu suchen und zu leben.
Wir haben dafür nicht in alle Welt zu gehen, ausser es sei denn um gegenseitigen Respekt zu lernen, über sich hinaus zu sehen und denken zu lernen; es geht um den Einbezug ANDERER, aber nicht in Kirchen. Kirchen sind Institutionen besitzen Eigengesetzlichkeit. Menschen und Institutionen handeln anders; Menschen können flexibel sein, Institutionen nur selten.
Selbst die Familie ist eine Institution und daher eher konservativ und bewahrend, wenig für Wandel aufgeschlossen. Ich weiss, was Familienkirchen sind, aus dem Berner Emmental, wo einst die meisten Familien ihre eigene Kirche waren, die misstrauisch zu den Nachbarn äugten; sie waren keine Variationen der Vielfalt, die um das Eine und Gleiche kreisten. Sie kreisten zu sehr um eine Form der Isolation.
Auf diesem Hintergrund können wir ruhig einige Kirchen eingehen lassen. Heute sollte man nicht mehr Kirchen bauen; es gibt weltweit mehr als genug. Wir haben Gemeinschaften zu kreieren. Wir werden vielleicht einst Kirchen teilen; Kirchentürme und Minarette zusammen als Zeichen der Vielfalt - so wie die Finger an einer Hand, Daumen neben dem kleinem Finger...
Es muss uns ernsthaft zu denken geben. Über 50'000 neue Kirchen haben primär mit Vielfalt und Bereicherung wenig zu tun; sie zersplittern Afrika; zerstören die alte Spiritualität des ubuntu. Aber es gibt sie, und nun haben wir aus Separatismus Variationen des Gleichen zu machen, ohne einander zu verdächtigen und nach der Rechtgläubigkeit zu fragen.
Das also verstehe ich unter "HEIKLE MISSION".
Referat für mission 21
am 17. Oktober 2014 in Basel
Al Imfeld
&&&