Gantry 5

Beschauliche Einführung in der Pfarrkirche Binningen am 19. August 2012.
"... bei dieser Hitze war ich heute in Binningen und hielt den angehängten Speech mit Musik von Lamin. 100 Leute. Ein grosser Erfolg.

Umgeben vom Koraspiel von Lamin Jobarteh.

 

1. Teil

Es beginnt mit einem Stück von Lamin mit der Kora.

 

1. These

Wir im Westen wurden von Afrika ausgeschlossen. Das Innere war für Europäer bis Mitte des 19. Jh.s unzugänglich; der ganze Raum wurde von Sklavenhändlern kontrolliert. Es ist eigentlich logisch, dass man sich über Afrika Vorstellungen zu machen begann.

 

Weil es unzugänglich blieb, musste man sich einreden, das hätte mit der Wildheit von Natur und Mensch, den bösen Menschen und den widerwärtigen Naturkräften zu tun. So wurde vor allem Schwarzafrika zum Abbild der Hölle.

 

2. These

Eine Hölle enthält nach unserer Vorstellung das Böse und Verdammte. So war der Kurzschluss naheliegend: Auf diesem Kontinent mussten selbstverständlich böse Menschen leben. Ja, und ein weiterer Kurzschluss: Das Böse als Kontinent und mit Menschen auf der verkehrten Seite der Welt zeigte sich äusserlich in der schwarzen Hautfarbe. 

 

Ich versuche, Schritt bei Schritt, auf einfachem Weg und stark abgekürzt unsere westlichen Vorurteile Schwarzafrika gegenüber etwas zu erhellen. d.h. einsichtig und verständlich zu machen. Afrika wurde im Spätmittelalter so etwas wie der von Gott dem Teufel und den bösen Geistern überlassene Kontinent. Afrika wurde zum Mythos, wo diese Menschen alles irgendwie Verirrtes, Verwirrtes und Fehlbare projizieren konnten. Afrika wurde ein Fabelwesen, zwar nicht ein Drache sondern eine Schlange.

 

3. These

So kam es in der abendländischen Vorstellung zum Kontinent ohne Religion. Ja, diese Menschen liefen fortan unter „arme Menschen“; sie wurde zu Mitleidsgestalten; sie taten uns leid, weil man sie vorstellte als Wesen ohne Religion, ohne Glaube, ohne Hoffnung und somit auch ohne Liebe. Sogar das Bild der Menschenfresser kam auf.

 

Dazu kam die Sklaverei. Der Islam betrachtete die Afrikaner, Neger genannt, nicht als Menschen. Sie besassen keine Rechte; sie waren für den Rest der Welt als Arbeitstiere, Maschinen gleich, angesehen. Der Islam unternahm nichts, um Sklaven zu bekehren, denn dann hätte er sie freilassen müssen. So wollte es der Koran. Doch Afrikas Sklaven war das grosse Geschäft der Araber vom 9. Jh. an. – Europa befand sich in einem Zwiespalt. Man kaufte also von den Arabern Sklaven, um sie zu taufen.

 

4. These

Die Zeit der Aufklärung wollte Genaueres wissen. Afrika wird Teil der Forschung. Man begann, sich mit Afrika wissenschaftlich zu befassen. Doch die Grundlagen waren schlecht und die Vorurteile sind selbstverständlich  auch bei den Wissenschaftlern, die ganz langsam ihre Vorurteile in Wissen zu verwandeln.

 

Selbst grosse Philosophen wie Hegel und Kant waren die afrikanischen Menschen niederer Qualität. Man kann in allen Kulturwissenschaften den mühseligen Schritt hin zu einer gerechtfertigten Erfassung der Menschen Afrikas, um sie endlich sozusagen im Rückblick wahrzunehmen.

 

5. These

Europa wollte nicht nur mehr wissen; Europa wollte sich auch vergrössern und begann, auf Afrika Besitz anzueignen. Den Kolonialisten kamen die existierenden Vorurteile zugute. Die koloniale Machtpolitik  rechtfertigte sich ganz heuchlerisch damit, dass Afrika keine Religion und Geschichte besässen, die Menschen bloss herum vagabundierten, um folglich kein Landrecht kannten.  Die Kolonialisten nahmen sich ganz geschickt die Mission zu Hilfe.

 

Die zeitgenössische Theologie sowohl auf katholischer wie evangelischer Seite sah in Afrika nur oder im besten Fall Fetischismus oder Animismus.

Man konzentrierte sich auf Fetischismus und Hexerei, auf Geister und Dämonen. Den ganzen Ahnenglauben übersah man bis vor kurzem.

 

6. These

Dem Zeitgeist entsprechend gingen also Kolonialisten wie Missionare zunächst davon aus, dass Afrika keine Religion hat, nur wirres Durcheinander, und daher alles Aberglaube sei. Die Christen versuchten die Afrikaner zu bekehren und zu guten Menschen zu machen. Die Kolonialisten gaben vor, zu zivilisieren und Afrika an die Moderne heranzuführen.

 

 

2 Stücke von Lamin auf der Kora.

Dieses Instrument hat eine lange Tradition;

sie begleitet den Griot im Besingen der Helden der Vergangenheit...

 

2. Teil 

7. These

Afrika hat EINE Religion, nur eine und nicht viele. Die Einheit schafft die Bantu-Sprache. Sie eint etwas über 2'000 Kleinvölker, die alle eine Hackbaukultur haben.  Parallel dazu gab es die Pastoralisten (abschätzig Nomaden genannt), Peul oder auch Fulani im Westen, einige weitere im Osten.

 

Wie bei uns das Indogermanische, so gibt die Bantu-Sprache bestimmte Lebensformen vor. Man kannte z.B. das Futurum nicht. Man kennt die direkte Form gegenüber Respektpersonen nicht. 


8. These

Zwei weitere historische Ereignisse haben Afrikas Religion inhaltlich und sinnenhaft ausgebaut:

die Verschleppung in die Sklaverei nach Ost und West;

dann der Kolonialismus, der Afrika entweder anglophon oder frankophon, Lusophon oder belgisch prägten.

 

Afrikas Völker sind radikal vom Exil geprägt, wie die alten Juden durch Babylon und Ägypten. Das zeigt sich ganz klar in der Musik etwa Blues oder Reggae; Armstrong wie Marley sind Propheten. Afrikas Religion kennt keine Hl. Bücher, ihre Tradition wird weitervermittelt durch Musik, Tanz und Gesang. (Wir haben mit Lamin und seiner Kora ein lebendiges Beispiel vor uns)

 

9. These

Afrika kennt kein hl. Buch, kennt den Monotheismus nicht; es geht ganz anders an Religion heran, nämlich über die Ahnen.

 

Ob am Ende der Ahnenkette Gott steht, wissen sie nicht, lassen sie offen, weil das Naheliegende momentan das Wichtigere ist. Auch kennt man in unserem Sinn die Zukunft nicht und muss daher religiös nicht stark damit zu befassen.

 

 

10. These

Die grundsätzliche Einstellung der Menschen südlich der Sahara ist die Indirektheit. Das ist auf tiefem Respekt begründet.

 

Man spricht selten jemanden direkt an. Man nimmt Umwege und vor allem Fürsprecher. 

 

11. These

Es ist stets etwas dazwischen. Wohl deshalb kennt Afrikas Religion so viele Geister, die alle ihren Bereich haben. Sie werden zu Vermittlern, Boten, Beschützern. Man soll diese Vermittler nicht Götter nennen; der Katholik kann es mit der Heiligenverehrung besser verstehen.

 

Man kann auch sagen, für Afrikas Menschen gibt es keinen direkten Weg. Umweg ist ihr Leben.

 

12. These

All diese Elemente bringen afrikanische Religion nahe an den Katholizismus mit den Armen Seelen, dem Glauben an Zwischenstufen und Zwischenwelten.

 

Im Katholischen kannte man bis vor kurzem (und z.T. noch immer) die Jahresgedächtnisse, die über mehr als 100 Jahre hinweg jährlich angekündet wurden.

 

13. These

Afrikas Religion konnte sich leicht mit dem Islam vereinen, nicht den schiitischen oder sunnitischen sondern dem Sufitum, einer mystischen und volksnahen Bewegung.

 

Im Sufismus gibt es Heilige und Dschennen (Engel), Wallfahrten und Wunderheilungen.

 

14. These

Afrikas Überzeugung, Glaube und Spiritualität wurden durch die Sklaven in alle Welt mitgenommen. Wie im Christentum wurde seine Religion aufgrund der Sklaven zur Weltreligion.

 

Die Sklaven belebten gar ihr Volksgut und bauten etwas von der Herrenreligion ein, ohne sich zu bekehren. Man kann diese Entwicklung heute deutlich in Brasilien oder Haiti erkennen.

 

15. These

Afrikas Menschen wurden nie bekehrt. Ihre Religion blieb und entwickelte sich stets neu.

 

Heute begreift die Religionswissenschaft sukzesive, dass es die Bekehrung kaum gibt; die Menschen nehmen einfach eine 2. oder andere Religion hinzu. In Asien ist das klar: der Chinese operiert gleichzeitig mit Konfuzianismus und Taoismus.

 

16. These

Für mich enthalten viele Pfingstkirchen das Afrikanische. Sie sind nicht synkretistisch sondern hybride Formen des Afrikanischen.

 

Ich erwähne das, um zu zeigen, wir werden heute weltweit mehr und mehr auch mit afrikanischer Religion abfinden muss. Afrika ist eine Weltreligion.

 

 

Zum Schluss spielt Lamin etwas Afrikanisches, das  etwas von der Weltkultur in sich hat. Für ihn ist die Kora wie für uns ein Hl. Buch.

 

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Al Imfeld©