Gantry 5

Heilen in verschiedenen Kulturen
veranschaulicht an 2 Gegenden: Bantu-Afrika und Napf

 

Medizin in Afrika und rund um den Napf

1. Einführung: 10 Thesen

  1. Traditionelle Gesellschaften sind pluralistischer als monokulturelle Gesellschaften. Für uns heute erscheint dieser Zustand als chaotisch. Wir haben wenig Verständnis für Vielfalt.
     
  2. Der Monotheismus führt unweigerlich zu monokausalen Lösungen auch auf anderen Gebieten neben der Religion. Monotheismus lässt nur einen Grund einer Krankheit an.
     
  3. Traditionelle Gesellschaften sind vielfältiger als moderne. Sie haben eine grössere Anzahl von möglichen Deutungen einer Krankheit, diese können.
     
  4. Für traditionelle Gesellschaften gehört die Natur essentiell zum Menschen, d.h. der Mensch lebt mit Tieren oder Pflanzen, zusammen und alle interagieren. Dazu kommt der grosse Überbau des Kosmos mit Sonne, Mond und Sternen. Als Pendant kommt dazu das Innere der Erde; woraus Wasser fliesst, Lava ausgespukt wird und über die Erde fliesst.
  5. 5. Das Weltbild einfacher oder primitiver oder traditioneller Gesellschaften hat verschiedene schamanistische Elemente sowohl bewahrt als auch weiterentwickelt. Das heisst, dass der Mensch zwischen zwei Welten steht und sie miteinander verbindet. Der Mensch steht zwischen einem Kosmos von oben und einem Kosmos von unten. Beide beeinflussen ihn.
     
  6. Jede Beeinflussung kann für den Menschen entweder positiv oder negativ, aber auch ganz neutral, d.h. unbemerkt sein. Man vergesse jedoch nicht, auch der Mensch strahlt aus. Alles strahlt und wirkt; es gibt nichts Eindimensionales. Das ist etwa die Grundlage, warum eine Person in Afrika eine andere in Europa beeinflussen kann. Nicht jede, sondern nur wenn ein Bezug gegeben ist.
     
  7. Der traditionelle Mensch ist offen und bescheidener als der naturwissenschaftlich beeinflusste, d.h. er geht selbstverständlich davon aus, dass es von ihm nicht wahrgenommene, unbemerkte und noch verborgene Kräfte gibt.
     
  8. Solche Anschauungen erscheinen oft als dualistisch, sind es jedoch nicht, da neben dem Menschen auch Tiere, Pflanzen und Steine/Felsen einbezogen werden oder sind. Dualistisch kann es nur von uns aus gesehen sein, denn wenn alles auf alles wirken kann, ist der Wirkungsraum mehrdimensional.
     
  9. Das was wir esoterisch nennen, falls es nicht bloss ein Modewort ist, dann ist dieses Versteckte, dieses für uns Verborgene oder auch oder sogar das verloren gegangene alte Wissen gemeint. Jedoch muss man sich bewusst sein, dass selbst Wissen nicht frei herumschwebt, sondern stets raum- und zeitgebunden ist.
     
  10. Daher können wir Westler weder afrikanisches noch asiatisches Verhalten übernehmen. Es würde lächerlich wirken. Wir können uns höchstens mit viel Respekt hineinfühlen, um nachzudenken. und schrittweise zu etwas Verständnis zu kommen.
     
  11. Weil die Napfkultur bis vor kurzem sehr traditionell war, ist sie mit den früheren, noch überlebenden afrikanischen Kulturen in manchem, aber nicht im Ganzen, verbunden oder verwandt. Es geht nämlich nicht um die Geographie sondern um die Mentalität oder eine bestimmte Religiosität oder Spiritualität.

 

 

Geschichte

Nr. 1: Der N’anga der Coco Cola wünscht


Afrika hat verschiedene Medizinalsysteme

Wie wird ein Mensch krank? Analytisch betrachtet kann ich sagen, dass mindestens vier oder mehr Ebenen interagieren, einander gegenseitig beeinflussen und so das Befinden der Menschen verursachen. Ich spreche im Folgenden von Bantu-Afrika, d.h. sprachlich miteinander verwandte Kleinvölker südlich der Sahara. Wir müssen dabei vier grosse Zonen unterscheiden:

  • die Sahelzone, die islamisch geprägt, jedoch über die sufitische Variante, die Chance hatte, das Alte mitzunehmen;
     
  • das südliche Afrika, das relativ spät von der Bantu-Wanderung erfasst wurde, zwischen die weissen burischen Einwanderer und später die britischen geriet. Vor ihnen lebten da die Khoi und San. All diese Völker gaben aneinander ab;
     
  • Ostafrika mit der Sklaven- und Handelskultur seit dem 10. Jh. überlagert, stets unter dem Einwanderungsdruck der Luo vom Norden und den Bantu vom Westen;
     
  • Westafrika stark überlagert von Bantu-Völkern, neben vielen Kleinvölkern, die sich untereinander vermischten. Das westliche Afrika gehört zu den Gegenden der Welt mit der höchsten Migration und sehr viel Austausch.
     
  • Da gibt es noch Zentralafrika mit den Pygmäen am und im Tropenwald.

 

Ich nehme nun das den meisten Schwarzen Gemeinsame heraus.

  1. Die Ahnen mahnen : also Ahnen bedingte Krankheiten. Die entsprechenden Ahnen muss ein N’anga feststellen. Mit ihm zusammen wird ein Gedenkopfer dargebracht.
     
  2. Geister, die frei überall herumirren, die einen als gute, die andere als böse Kräfte und menschliche Krankheiten oder auch Wohlbefinden verursachen können. Einige nennen diese Geister auch männliche oder weibliche Hexen aus dem All. Über diese haben gewisse Kräuterärzte oder/und Witchdoctors beruhigenden Einfluss.
     
  3. Zwischenmenschliche Hexereien: Was Ahnen können, kann auch der Mensch. Man kann Verwandte – so glauben viele – selbst über weite Distanzen hinweg beeinflussen und krank machen.
     
  4. Körperliche Krankheiten über welche die moderne Medizin Macht hat. Da der gewöhnliche Mensch nicht weiss, welche Kraft hinter seiner Krankheit steckt, geht er – ausser bei Knochenbrüchen – zuerst zum N’anga, um sich zu beraten. So haben denn viele Spitäler Afrikas einen N’ganga, der meist draussen unter einem Baum sitzt.
     
  5. Psychische Krankheiten werden noch kaum behandelt. Psychotherapeuten kommen sich auf dem Kontinent hilflos vor.
     
  6. Ich hänge ein islamisches Beispiel an, um zu illustrieren, wie sich Altes und Neues vermischt. Im Sufismus kennt man Dschinnen, Zwischenwesen, die entweder Engel oder böse Geister sind, die in den Lüften herumfliegen. Man kennt Bruderschaften, Wallfahrten, hl. Orte also, hl. Wasser. Der Rosenkranz wird zum Kranz der Ahnen. Jeder Mensch trägt ein Schutz-Amulett. Er und sie machen Libationen. Es gibt unter ihnen neben dem Imam Heiler. Wichtig sind Wirk- und Riechstoffe. Wohlgeruch und Auflegesubstanzen sind wichtige Medizinen.
     
  7. Eine eigene Medizin besitzen bis heute die Pygmäen am Rande der afrikanischen Urwälder. Von allen anderen Völkern gefürchtet, ja, gehasst. Sie sind Meister der Kräuter- , Rinden-, Wurzeln- und Licht- und Schattenmedizin.
     
  8. Ähnlich standen bis vor kurzem die südafrikanischen Völker aus der Wüste, die Khoi und San, stolz mit einer eigenen Medizin der Wüste da.

Wir sehen, wie wichtig Räume waren. Sie bestimmten verschiedene Heilmethoden. Es sind Medizinalsysteme der Wüste, dem Rand des Urwalds, der Savanne oder gar den Bergen (Mt Kenya oder Mt Cameroun) angepasst.

Dazu kommt ein Glaube, der diese Räume als sacred respektiert. Oder war es umgekehrt? Räume waren wie Hl. Bücher bei Grossreligionen. Sie bedingten Religion. Und sie forderten eine gewisse Medizin.

Dieser geistige Hintergrund entwickelte sich anders in Bantugesellschaften und im islamischen Leben, anders zwischen Ost- und Westafrika. Wieder anders im Süden. Afrika kennt viele traditionelle Heilmethoden.

 


Eine weitere Geschichte

Der rote Stiefel kommt daher und verwirrt die Menschen. Der Imam wird gerufen und deutet. Einige Zeit später warten die Menschen auf den 2. Stiefel und wallfahren hierher nach Mbour/ Senegal.
Im Napfgebiet überschneiden sich ebenfalls verschiedene Systeme.

Geschichte Nr. 3:
Das Zahnwehkreuz auf der Krete (Kamm) zum Napf. Diese Geschichte kann zeigen, wie Glaube und Wissenschaft Gegenstände – hier ein Baum – immer wieder anders interpretieren: heilend, sündhaft, zugelassen und unwissenschaftlich.

Kurzanalyse

  1. Das Napfgebiet wurde einst von den Kelten zivilisiert. Für die Kelten spielten Konstellationen eine wichtige Rolle. Sterne und Bäume, Höhen und Tiefen, Wind und Wetter hatten Einfluss af menschliche Gesundheit. Konstellieren und in Ordnung ringen waren zwei wichtige Methoden der Heilung.
     
  2. Dann kam über die Iren das Christentum. Diese wussten auf Grund ihres Hintergrunds, was für ihre keltischen Vorfahren wichtig war. Sie aber wollten den Blick der neu bekehrten Menschen auf Gott, den einzig wahren, einen Gott, lenken. Also mussten bestimmte Markierungen und Erinnerungen weg. Das waren u.a. Eichen.
     
  3. Dann kam das mittelalterliche Christentum mit den Wallfahrten und den Wunderheilungen. Um den Napf existierte ein ganz starker Blut-Glauben. Reliquien spielten eine wichtige Rolle. Zentral waren die Heiligen; jede/r dieser Heiligen hatte eine Kraft. Antonius fürs Vieh; Blasius für den Hals; Apollonia gegen das Zahnweh.

 

Heute haben wir ein Zusammen- und Ineinander-Wirken der vorausgehenden Glaubensformen.

  • Keltisches: Harmonie mit Natur;
     
  • Mittelalter: man glaubt unterschwellig stark an Reliquien, Weihwasser, Heilige, usw. Sie sind zurückgetreten, aber immer noch da. Sie gingen in die Folklore ein.
     
  • Die moderne Medizin ist die neue Absicherung. Das alte Vertrauen in einen Arzt ging verloren; man geht von einem zum anderen.
     
  • Etwas skeptisch und verunsichert kommt die Psychologie und der Seelenheiler hinzu.

 

 

Schlussfolgerungen

  1. Wo immer noch Überreste einer traditionellen Gesellschaft vorhanden sind, ist die Krankheit der Menschen mehrschichtig. Ob man in Grosstädten etwa Menschen aus dem Napfgebiet entweder mit katholischem oder reformierten Hintergrund anders behandeln sollte?
     
  2. Was jedoch sicher ist. Wir brauchen heute im Völker- und Kulturengemisch eine andere Medizin als noch in den 60er Jahren, Unsere Welt wurde eine andere; somit auch die Krankheiten. Man soll nicht nur über das Globale schimpfen, Das ist reine Verdrängung der Wirklichkeit, denn wir sind global geworden.
     
  3. Der Glaube eines Menschen spielt eine wichtige Rolle – sowohl beim Krankwerden und Kranksein als auch beim Heilen. Ein Katholik ist anders krank als ein Zwinglianer oder Kalvinist. Und wie erst behandeln sie einen Mohammedaner oder einen Bantu? Sie alle werden anders krank.
     
  4. Vielleicht müsste die moderne Medizin wieder mit Doppelsystemen oder Parallelismen arbeiten. Die Geschichte ist in jeder wichtigen Krankheit präsent. Das ist nicht nur bei den Traumata der Fall.
     
  5. Historisch bedingte Traumata müssen ernster genommen werden – so wie der afrikanische N’anga zum Stammbaum zurückgreift, so müsste auch der heutige Arzt Zeit haben, etwas mehr Hintergrund zu erfragen.
     
  6. Kosmisch vorgehen heisst heute kontextuell. Es gibt selten eine Ursache allein. Andere spielen im Krankheitsbild eine grosse Rolle. Der heutige Arzt geht zu individuell und somit punktuell vor.
     
  7. Ärzte sollten es wagen, wieder weniger mit Pillen an Krankheiten heranzugehen. Warum nicht fragen: Was hätte ihre Grossmutter getan? So wie beim Kochen müsste es auch in der Medizin sein, dort hat es einen enormen Revival des Traditionellen gegeben.
     
  8. Man soll nicht nur technokratisch joggen, sondern vielleicht auch einmal einen bestimmten Weg abschreiten, vielleicht gar neue Formen einer Wallfahrt erfinden. Oder wer wagt es, auch wieder etwas, ab und zu, dazwischen und zusammen mit anderen mit Kraftorten zu arbeiten?
     
  9. Ich meine nicht, damit man mich nicht missversteht, Operationen, die in bestimmten Lagen wie nach Unfällen notwendig sind; nein, ich meine all die seelischen und psychosomatischen Übel und sogar bestimmte Krebskrankheiten. (Kehr zu 4. zurück). Man komme wieder etwas zurück und überlege, wenn es schon Röntgenstrahlen gibt, kann es auch andere geben. Wir sind heute aufs Technische fixiert.
     
  10. Und so brächten wir dann auch wieder etwas aus anderen Welten zurück und heim zu uns. Ohne diese weltweite oder globale Verknüpfung gibt es heute für bestimmte Krankheiten keine Heilung. So denke ich. Das ist mehr als Glaube. Ich kann Afrika und den Napf miteinander in Verbindung und sogar in vielem eins sehen.

 

 

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Al Imfeld©
Vortrag bei HM Suisse am 26. April 2012
www.hmsuisse.ch