Gantry 5

Was ist FOOD SECURITY?
Was enthält ein RECHT AUF NAHRUNG?

 

Vorbemerkung
Viele werden überrascht sein, diese zwei Forderungen, auf gleicher Ebene behandelt, vor sich zu haben und fragen sich, ob hier nicht eine tendenziöse Vermischung stattfindet. Der folgende Text möge zeigen, wie beides ineinander übergeht und wie beide Forderungen gerade weil sie mehrdeutig sind, verwirrend sein können; sie sind unklar, wenig transparent und daher Ideologie verdächtig.

 

Essen mit Sinn und Vieldeutigkeit

Oftmals nimmt der Mensch Worte in den Mund, von denen er wenig Ahnung hat, was sie enthalten. Gerade weil Worte sehr vieldeutig und weitläufig sein können, kommt es denn auch zu sehr vielen Missverständnissen unter Menschen. Einer dieser Ausdrücke ist Nahrungssicherheit.

Man beginnt die Komplexität zu erahnen, sobald wir anders ansetzen, nämlich beim Satz „Das Essen wird angerichtet.“ Jedes Essen ist also ein Gericht, das aus verschiedenen Lebensmitteln zusammengestellt wird, die aus einer Küche kommen und auf einen Esstisch kommen, um den Menschen rundum zusammensitzen. Jedes Essen enthält also ein Gesicht, einen Geschmack, einen Geruch, eine Geschichte mit Ersinnungen und mit einer Zukunft der Stärke und Gesundheit.

Die Gründe, was, warum, wann, wie viel und wie wir essen, sind vielfältig. Wir haben also dieses Gericht etwas unter die Lupe zu nehmen.

Wenn Menschen es sich leisten können und wann immer mehr als genügend vorhanden ist, essen Menschen mehr als notwendig. Würde nun diese Food Security der Durchschnitt eines Minimums – ähnlich dem Minimumlohn - sein? Aber schon wieder stehen wir vor dem Dilemma mit der Vieldeutigkeit der Begriffe. Was denn ist Nahrung oder food? Ein einzelnes Lebensmittel oder ein ganzes Gericht mit einer Lebensmittelgeografie? Ein bestimmtes Gewicht von einem Grundnahrungsmittel? Gehört ein bestimmtes Drumherum dazu? Sind es so und so viele Kalorien, Fette oder Vitamine und…? Wer misst und bestimmt das? Der Arzt oder die Nahrungsmittelindustrie? Die Uno oder die Sozialfürsorge?

 


Was schliesst das Wort Nahrung bei einem Recht ein?

Die Worte Essen und Nahrung nehmen sich sehr leicht in den Mund, obwohl es Begriffe wie ein Menü oder Gericht sind, d.h. sie enthalten manches. Falls also von einem Recht gesprochen wird, auf was nun bezieht sich dieses Recht?

Ich versuche im folgenden Abschnitt, etwas Licht in das breite Spektrum von Nahrung zu bringen.

  1. Nahrung: spirituell vs. materiell
    Zu jeder Zeit bedeutet Nahrung etwas anderes; das Wort schillert und alterniert. Im Mittelalter beinhaltete das Wort noch sehr viel Spirituelles oder Geistiges, etwa nach dem Sprichwort „Der Mensch lebt nicht von Brot allein“. In der Moderne ist Nahrung immer mehr etwas Materielles, etwas Handfestes und Ökonomisches geworden. Ein Nahrungsmittel besteht also u.a. aus Preis und Kalorien; wird immer mehr bloss noch ökonomisch und naturwissenschaftlich verstanden und definiert.
     
  2. Lebensmittel vs. Nahrungsmittel
    Im Deutschen und besonders seit dem Kolonialismus wird zwischen Lebensmittel (LM) und Nahrungsmittel (NM) unterschieden. NM ist der ökonomische Begriff und führt Nahrung definitiv nicht nur direkt in menschliche Mägen sondern auf den Welt-Markt mit landwirtschaftlichen Produkten, die verkauft und verarbeitet werden und Geld (Devisen) einbringen. Klarer ist die englische Sprache mit der Unterscheidung food crop vs. cash crop.
     
  3. Nahrung vs. Geld und Arbeit
    Immer weniger Bauern gibt es; daher werden Nahrungsmittel auch immer weniger in Selbstversorgung hergestellt; die meisten NM kauft man. Dazu braucht es Geld. Wenn es heute heisst, die Menschen sollten genug zum Essen haben, meint man genug Bargeld, um LM einkaufen zu können. Zu Geld kommt ein Mensch, wenn er oder sie Arbeit und/oder Verdienst hat: Nahrung hängt also mit Arbeit zusammen.
     
  4. Natürliche oder bodennahe LM vs. industriell bearbeitete oder hergestellte NM; oder auch: Frischnahrungsmittel vs. Fertigfood 
    Wenn von Recht auf Nahrung gesprochen wird. muss klar sein, was gemeint ist, und wo die Grenzen liegen. Muss es Bio- oder Öko-Food sein? Anders ausgedrückt und beinahe versteckt, steht diese Idee auch hinter den Worten „gewöhnliche“ oder „traditionelle LM“. Würde das Recht etwa mit ungesunder oder vergifteter Nahrung verletzt? Da es keine absolut sichere Definition sowohl von Krankheit als auch von Gift gibt, wird es eine Frage der Verhältnismässigkeit sein oder bleiben. Mit Balance hat Nahrung, resp. Essen sehr viel zu tun; man denke bloss an das Fasten oder die Völlerei.
     
  5. NM: lokal vs. global
    Soll die Nahrung aus der Gegend oder gar aus dem nationalen Territorium stammen oder darf sie auch von fern eingeführt sein? Vom ökologischen Gesichtspunkt aus betrachtet kann man gegen importierte NM sein, aber wie wäre es mit einem Recht?
     
  6. Eigenes vs. fremdes Essen
    Dieser Kontrast kommt zunächst eigenartig vor und scheint mehr im psychologischen Bereich zu liegen. Meint etwa das Recht LM oder NM meiner Sozialisation oder meiner vertrauten Kulturzone; gehört das fremde Brot dazu? Darf von Menschen verlangt werden, beim Essen ab und zu ihren Kulturkreis zu verlassen und auch „fremdes Brot“ zu essen? Da Essen wie Musik Heimat bedeuten kann, was wäre denn, falls Nahrung heimatlos machte?
     
  7. Essen – gewöhnlich und „erlaubt“ vs. tabuisiert
    Muss auf religiöse Traditionen und Tabus Rücksicht genommen werden? Wie weit geht das Recht: können von Religion und Tradition auferlegte Tabus berücksichtigt werden, wann immer Menschen am Verhungern sind? Schliesst etwa das Recht die Alternativen zu Schweinefleisch oder zum gelben Mais zu berücksichtigen aus? Ist unbekannte Nahrung eingeschlossen, denn Menschen essen weltweit von all dem, was gegessen werden könnte, bloss etwa 10 Prozent. Würden Ameisen, Engerlinge, Käfer oder Insekten auch in den Bereich des Rechts auf Nahrung gehören?
     
  8. Mit Fleisch oder ohne Fleisch: karnivorisch vs. vegetarisch
    Hat der Mensch Recht auf Fleisch oder ist ihm vegetarische Nahrung zuzumuten? Über den Ursprung des Essens existieren verschiedene Ideologien; die einen gehen von einem vegetarischen Ursprung aus, also Gräser, Kräuter, Beeren und Früchte: die anderen beginnen mit der Jagd und sind überzeugt, dass am Anfang die Menschen sich von der Jagd mit vegetarischen Beilagen vom Waldrand oder in den Wäldern, mit Wurzeln und Rinden ernährten. Der Vegetarismus ist mittelöstlichen und/oder indischen Ursprungs; geht auf die manichäische Ansicht, dass die Materie böse sei, zurück. Es kann jedoch sich manches im Laufe der Geschichte verändern und seiner Ideologie entleeren. So ist es mit dem Vegetarismus, der heute ein eher Mittelklasse -Phänomen ist.
     
  9. Dünne oder feste Nahrung?
    Die Geschichte des Essens lässt darauf schliessen, dass Menschen mit Suppen begannen. Sie gingen also von einem Eintopfgericht aus. Darin befanden sich mehr oder weniger Fleisch und Kräuter mit etwas Gemüse. All das zusammen wurde sehr lange gekocht und mit einem Holzlöffel aus dem Topf von den Menschen im Kreis herum sitzend gegessen. Von der Suppe ging es zum Brei über. Die Differenzierung zum Menü entstand im Laufe der Zeit. Salate übrigens sind erst nach dem 2. Weltkrieg im Exodus aus der Landwirtschaftpopulär geworden und bilden nun eine weitere Differenzierung eines möglichen Speisezettels. Wäre es nun zumutbar, „primitive“ Esskultur wieder aufleben zu lassen oder würde das gar ein unzumutbares Zurück der Zivilisation bedeuten?
     
  10. Eintopf oder Menü?
    Nach Suppe und Brei folgte der Eintopf. Man denke an den Couscous oder das Risotto. In gleicher Richtung sind afrikanische Gerichte mit der Sauce zu sehen. Zum Maisgericht (Sadza) oder zu Yams oder Maniok (Yam balls; Ebe; Fufu) wurde eine reichhaltige Sauce zubereitet, in die die Menschen beim Essen diese Stärke-Flösse oder klebrigen Kugeln tauchten. Nochmals: Wie viel Geschichte erträgt eine NM Sicherheit und wie viel historische Nahrung würde ein Recht darauf bedeuten? Müsste sie modern oder gar progressiv sein?
     
  11. Käme eine infusionöse Nahrung dem Recht auch nach?
    Das pure Gegenteil zur Tradition wäre die Nana-Zukunft. Hätten etwa Menschen bei Hungersnot das Recht auf intravenöse NM Behandlung? Auch wenn es absurd tönt, doch gibt es Phantasten, die meinen, man könnte bald bei Hungersnöten eine grosse Zahl von Menschen intravenös ernähren.
     
  12. Fasten vs. Schwelgen
    Wie viel isst der Mensch und wie viel muss er essen, wenn er sich längere Zeit im Fasten trainiert? Der Mensch muss sich -schon zum Überleben - bestimmte Rhythmen anerziehen. So gab es in allen Religionen Fasten-Zeiten. Wann geht das Fasten oder die Abstinenz von NM in Hunger über? Hungersnot entsteht primär seelisch und wird körperlich manifest. Falls motiviert kann der Mensch sehr viel an LM entbehren. Man schaue sich bloss im Feld der Religionen um, von der Mongolei oder in Indien bis zur sudanesischen Wüste der ersten Jahrhunderte des Christentums, zu den islamischen Derwischen bis zu einem Bruder Klaus. Anders ist es mit Trinken: Das Mass der minimalen Aufnahme von Flüssigkeit zum Überleben kann definiert werden.
    Nochmals zurück: Nahrung muss auch genüsslich sein; zum Leben gehört neben der Sorge auch der Genuss. Weil es bei der intravenösen Ernährung keinen Genuss gibt, kann wohl vorderhand diese technische Form nicht zum Essen gezählt werden.


Vorläufiger Schluss:
was also meint man mit Food Security? Noch heikler wird es beim Recht auf Nahrung, denn ein Recht muss klar definierbar sein und darf kein Gefühl sein.

 


Was gehört zur Food Security?

Die Unsicherheit setzt schon bei den verschiedenen unterschwelligen Bedeutungen zwischen dem deutschen Nahrungssicherheit und dem englischen food security ein. Das Englische kommt einer Versicherung nahe; im Deutschen scheint viel mehr ein Auftrag oder eine Aufforderung enthalten zu sein. Ist im Deutschen – wie ich bereits dargelegt habe – das Wort „Nahrung“ sehr vieldeutig und vielschichtig, so ist dies noch mehr der Fall mit dem Begriff „Sicherheit“.

Sollte man etwa im Deutschen den englischen Begriff als „Versorgung“ übersetzen? Würde es dann heissen: Für alle Notfälle ist gesorgt und man wird für ein Überleben versorgt.

Gilt etwa Nahrungssicherheit einfach für ein Gebiet oder einen Staat und nicht für Einzelne, die darin leben? Handelt es sich gar nicht um ein Privatrecht, sondern vergleichbar dem Monopol des Gewaltrechts beim Staat? Doch welcher Staat hat heute noch Kontrolle im Nahrungsmittelbereich, da sich im Laufe der Globalisierung der Nationalstaat mehr und mehr auflöst, verflacht oder vielschichtiger wird. Steckt etwa hinter dieser Food Security Forderung eine versteckte Rückkehr zum Nationalstaat und einer Nationalökonomie? Geht es gar um ein Verbot für weltweiten NM Handel?

Blickt man in den politischen und ökonomischen Hintergrund, zeigen sich hinter dem Schlagwort Food Security einige stark ideologisch geprägte Wunschziele, die nicht immer klar voneinander getrennt werden können:

  • die Rückkehr zum einstigen Nationalstaat. Den Höhepunkt bildete der 2. Weltkrieg, in dem alle westlichen Länder eine sichere Selbstversorgung innerhalb der nationalen Grenzen anstrebten. Das verstanden sie damals unter Nahrungsmittelsicherheit.
     
  • Fast gegensätzlich dazu steht der Freihandel. Der Neoliberalismus hat die Ideologie verbreitet, dass eine totale Marktöffnung Hunger bekämpft. Die Öffnung der Grenzen wird mit Hilfe der WTO vorangetrieben. Dass jedoch die Verwirklichung dieser Ideologie in schwachen Ländern – wie auf dem afrikanischen Kontinent – die gesamte Nahrungsmittelversorgung zerstört, können Ideologen nicht einsehen.
     
  • Fast perfide versteckt hinter dem Begriff steht natürlich auch die Nahrungsmittelhilfe – food aid. Bis vor kurzem produzierten Nordamerika und Europa so viele Überschüsse im landwirtschaftlichen Bereich, dass sie diese unter dem Mäntelchen der Wohltätigkeit gerne für Hilfe abgeben würden. Diese Hilfe hat den Agrarmarkt westlicher Länder angespornt, denn wer vom Tisch der Reichen ass, wollte nicht mehr zur mühseligen Heimlandwirtschaft zurückkehren.
     
  • Selbst Wissenschaft lobbyiert für food security. Es handelt sich um die Bereiche Biotechnologie und Nanowissenschaft. Um ihr Tun zu rechtfertigen, missbrauchen sie das Problem des Hungers, indem sie behaupten, diese Forschung und die damit verbundenen Experimente seien notwendig, um Hungersnöte zu verhindern.
     
  • Als letzten versteckten Interessensgrund erwähne ich eine bestimmte Agrarwirtschaft, allen voran das Agrobusiness. Doch es gibt auch subtilere Formen am Interesse der food security, nämlich all die Bauern, die einen langsamen Abbau der Subventionen weder sehen noch begreifen können.
     
  • Schliesslich erwähne ich auch die vielen Hilfswerke (NGOs), die ihr Tun und Handeln, ihre Projekte und deren Ausführung als Beitrag der Geldspender zur food security kaufen.

 

Falls es denn eine gewisse Sicherheit geben soll, umschliesst diese ein ganzes Netzwerk und sollte deshalb mit einem Strauss von Projekten im gleichen Gebiet manifest gemacht werden. Ein anderer – und für die Zukunft viel wichtigerer Weg – ist die Zusammenarbeit verschiedener Hilfswerke in einzelnen Regionen. Gerade die Verzettelung hilft nicht, Hunger zu verjagen. Wer wirklich Absicherung einer soliden Ernährungslage möchte, der/die muss viel komplexer denken und handeln lernen.

 

Zur food security gehören im Kern vier Felder:

  1. eine gut entwickelte Infrastruktur mit Strassen und Bahnen, Elektrizität und Kommunikationsnetzen, Telefon und Massenmedien. Die Menschen müssen über den Markt orientiert sein: das Zubringen muss überallhin möglich sein; eine längere Haltbarkeit bedingt den Kühlschrank; zum Kauf und Verkauf benötigt man guten Zugang zu den entsprechenden Märkten. Und all diese wesentlichen „Objekte“ dürfen weder der Weltbank noch bloss der USA und EU überlassen werden. All das Erwähnte bedeutet das gigantische Defizit Afrikas. Es beginnt bereits mit dem dauernden Stromausfall. Es bedingt auch mehr Genauigkeit und Pünktlichkeit. Das nostalgische Wort „Afrika kenne gottlob die Zeit noch nicht“ ist genau Teil dieser Hungersnöte. Grössere Länder wie Mali, Tansania, Kongo, usw. brauchen für den internen Transport Kleinflugzeuge: das Jammern dagegen von Ökologen ist ebenfalls Teil der Hungersnot. Warum? Ich habe es bei der Ausbreitung des Nahrungsbegriffs geschrieben: Es hat mit Mass, Balance und Abwägen zu tun.
     
  2. Diese Infrastruktur muss gepflegt und gewartet werden; dazu benötigt man eine andere Schule und Ausbildung. Auf diesem obigen Hintergrund bekommt die Schule eine ganz andere Bedeutung. Gleichzeitig bedeutet dies eine enorme Schulreform in Afrika, wo es eine Schule nicht am Leben vorbei, sondern ins Leben hinein sein sollte. In den Schulen muss bereits von der untersten Stufe an ein Fach in Essen, in Mathematik, muss Zeit und Geld, Genauigkeit und Einteilung enthalten sein; in Chemie und Geologie muss das lokale Klima und Gestein auf einfachste Weise analysiert werden können. Die Nähmaschine muss als Beginn des Ausstiegs aus dem Hunger hingestellt werden. Dem in der Schule eingebauten Handwerk kann ein neuer Akzent gegeben werden, etwa wie repariert man im Alltag nützliche Gegenstände?
     
  3. Eine Kultur der Eigeninitiative schafft Stolz, verleiht Selbstrespekt und führt heraus aus der gegenwärtigen fatalistischen Haltung. Es ist interessant festzustellen, dass mit Verelendung Verschmutzung parallel läuft. So sehen wir plötzlich den Zusammenhang zwischen einer erweiterten Food Security und Reduction of Poverty, einem anderen UN Programm. Eine Kultur der Zusammenhänge und Vernetzungen entwickeln, erfordert sehr viel Fantasie und Kreativität. Daher braucht es die Hilfe aller Künste, vom Tanz bis zum Theater, vom Kino zum Sport. Besonders hilfreich sind heutige Literatur und Malerei, denn sie analysieren, legen offen, halten den Spiegel vor. Sie provozieren zur Frage: „Was bin ich?“ und „Warum lasse ich alles gehen?“
     
  4. Sobald das Kleinunternehmertum einsetzt (und da ist ganz Fernostasien ein Beispiel und eine Illustration), braucht es Kleinkredite. Menschen müssen dann lernen, nicht nur für NM zu sparen, sondern fürs Leben insgesamt. Es beginnt die Entwicklung einer Mittelklasse, die es unbedingt zwischen ganz arm und ganz reich braucht. Afrikas Hungersnöte sind teilweise auch durch die Abwesenheit einer Mittelklasse bedingt. Sparen und Geld lösen langsam die klettenhaft bindende Grossfamilie auf, die ebenfalls Teil der Hungersnöte ist. Kredite innerhalb der Verwandtschaft sind schädlich und hindernd für Eigeninitiative. Kleinkredite können den Beginn der Industrialisierung bedeuten; diese muss eintreten, wenn das Bauerntum verschwindet (und das geschieht eben auch in Afrika insgesamt).

 

Einige werden sich fragen, auf welche Abwege kommt der Autor? Und ob denn all das noch etwas mit Nahrungssicherheit zu tun hat?

 

Wenn man an Afrikas Ernährungssicherheit denkt…

Ich kann aber auch auf dieser Grundlage anders bündeln und etwas auf Afrika beschränkt schreiben:

  • Was können Rinder, Vögel und Termiten mit menschlicher Mithilfe zur Erneuerung oder zur Fruchtbarkeit des Bodens (Humus) beitragen?
     
  • Wie kann mit Akazien und Bohnen, vielleicht etwas ergänzt mit Soja, Stickstoff im Boden vermehrt fixiert werden?
     
  • Welche neuen Baumgemeinschaften helfen zur Erneuerung des Landes, etwa Baobab, Akazien und Karité – oder würden auch Kokosnüsse gehen? Und wie kann man mit Hecken und Sträuchern diese Bäume schützen oder abstützen?
     
  • Essentiell für den gesamten Kontinent sind Heckenbildungen, die mögen auch als Zäune für das Vieh benutzt werden. Die grösste Herausforderung ist ohnehin das Zusammengehen von Viehzucht und Hack- und Bodenkulturen. Die Zeit der Peul/Fulani ist vorbei; man hat heute Wanderzonen oder Transhumanzsysteme gemeinschaftlich zu entwickeln.
     
  • Hofaufteilungen müssten und könnten neu vorgenommen werden, doch dazu bräuchte es ein neues Boden- und Eigentumsrecht. Auf das hin haben Entwicklungsorganisationen auch zu arbeiten; auch solches gehört zur „Bewusstseinserweiterung“.
     
  • Für 85% des gesamtafrikanischen Bodens ist eine westliche Landwirtschaft unmöglich zu betreiben. Es gibt keine anderen Wege ausser Mischkulturen, Zwischenkulturen, Diversifikationen und Kombinationen.
     
  • Es braucht neue Kultivierungen von wilden Pflanzen, ohne sofort an Gentechnologie zu denken.
     
  • Man kann an Kontinentaladaptationen von Gemüse, Gewächsen, Bäumen und Beeren denken, so wie das einst mit Mais oder mit der Kartoffel geschah. Geschichte zeigt, dass es möglich ist, Pflanzen über Kontinente hinweg zu verschieben. Dasselbe gilt auch für Vieh und Tiere; hier sind bereits etliche Kreuzungen zur Ertragssteigerung im Gang.

 

Schluss

Hinter meinem Text steht die Aufforderung zur Zurückhaltung von Forderungen, die unerfüllbar oder bloss selbsttäuschend sind. Man möge Worte wirklich umdrehen und anschauen, was dahinter steht. Falls ein berechtigtes Interesse damit gemeint ist, ist es klug, exakter und selbst einschränkend zu sein.

 

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Al Imfeld©
Auf meiner Mali-Reise im Nov.-Dez. 2007 entstanden