Gantry 5

Bereiche,
auf die afrikanische Länder
in den kommenden 100 Jahren
das Augenmerk ganz besonders richten sollten


Vorbemerkung
Entwicklung ist ein langwieriger Vorgang und er benötigt mehrere Generationen, die sich schrittweise und systematisch nicht nur darauf einstellen müssen, sondern auch neue Traditionen schaffen. Es braucht sowohl neue Assoziationen, Reflexe, Vorstellungen und Visionen; neue Selbstverständlichkeiten müssen in den Köpfen Einzug halten. Hierfür muss so etwas wie ein Klima geprägt werden. Allein schon für den Ansatz braucht es drei Generationen. Das Wichtigste ist jedoch, dass begonnen wird oder dass gewisse Richtlinien in eine Zukunft mit mehr Menschlichkeit und Gemeinschaften führen.
Aus Seminaren und vielen Diskussionen gingen die folgenden Schwerpunkte hervor. Das Folgende darf nicht als ein Programm sondern eher als eine Orientierungshilfe verstanden werden. Der ganze Strauss gehört irgendwie zusammen, wenn auch nicht alles auf einmal ausgeführt werden kann und es sehr wohl sein mag, dass sich aus einer Anstrengung ganz selbstverständlich ein Anschlussprogramm entwickelt. Selbstverständlich führe ich bei weitem nicht alles auf, denn es geht um Schwerpunkte, resp. wichtige Einschnitte.
100 Jahre spornen an; die Zahl 100 hat sehr viel Symbolkraft und trägt wesentlich zu Nachhaltigkeit (sustainability) bei.
Im Folgenden wird nicht auf Vollständigkeit geschaut; es wird um zentrale Themen herum gebündelt und damit Illustration und Ansporn gegeben.

Grundsätzliche Voraussetzungen, von denen man auszugehen hat und die in den nächsten Generationen in jede Umgestaltung hineinspielen werden:

  1. 1. Der gesamte afrikanische Kontinent ist von 100 Jahre Kolonialismus geprägt, d.h. die meisten Menschen haben des Einst und Jetzt gleichzeitig im Kopf. Man denke bloss an die Sprache.
     
  2. Afrikas entlassene Kolonien in die Unabhängigkeit müssen nun als Staat durch einen Nation-building Prozess hindurch. Dieser Vorgang geht einer Demokratisierung voraus.
     
  3. Afrikas Politik ist ein Weg aus etwa einstigen 4000 Kleinstaaten heraus auf eine in einem grösseren Staat Völker verbindende Ebene. Beispiel: Nigeria hat etwa über 400 Kleinvölker mit etwa 4000 Chefs (Häuptlingen). Der Kolonialismus hat bereits grössere Verbünde zu schaffen begonnen.
     
  4. Generell können Afrikas Staaten nicht mehr auf grössere Grenzbereinigungen zurückkommen. Es gibt nichts anderes, als sich mit der jetzt gegebenen Wirklichkeit positiv auseinanderzusetzen und kritisch kreativ fortzuschreiten.
     
  5. Der grösste Teil des Kontinents ist auf dem Weg von informeller Wirtschaft hinein in eine formelle moderne Nationalwirtschaft. Afrika kann momentan nur geschätzt, aber nicht statistisch erfasst werden. All das gibt viel Raum für Gerüchte und Spekulationen.
     
  6. Der Prozess zur Formalität schliesst ein langsames Hinaus oder Weg von der beinahe totalen Abhängigkeit von der Grossfamilie und einem vagen Hin zu einer staatlichen sozialen Absicherung. Anfänglich laufen beide parallel und geben somit viel Anlass zu Konflikten, die man auch als Korruption ansehen kann.
     
  7. Nicht Statistiken werden der Index der weiteren Entkolonisierung und Entwicklung sein, sondern Kultur, resp. Literatur, Kunst, Musik, Film und Theater. Formell wird es jedoch kaum eine Kulturpolitik geben; diese wird pilzweise hier und dort spriessen.
     
  8. Gerade deshalb fürchten sich die Mächtigen derart vor Kultur, weil sie nicht kontrollierbar ist, etwas wild und anarchistisch. Der Kampf gegen Zensur gegenüber Literatur, Malerei, TV oder Presse wird noch lange anhalten.
     
  9. Landschaft muss betreut und entwickelt werden. Eine weitere Seite der Architektur ist Land Art, die längst nicht bloss Geometrie sondern auch Kunst ist. Afrikas Wüsten und Steppen, Ökotone – und Randzonen müssen in Kunst und Arechitektur einbezogen werden.
     
  10. Zur Kultur gehören Tugenden für bestimmte Lagen und Zeiten. So benötigt eine moderne Wirtschaft die Tugend des Unterhalts oder der Pflege; zum Sparen gehört auch die preventive maintainence. Eine moderne Tugend ist die der richtigen Verteilung und Versorgung, das ist der Kern des Diensts am Bürger.


Zehn zentrale Felder der Erneuerung und Umgestaltung

  • 1. Afrikas Gesetze haben sich vom traditionellen und kolonialen Recht schrittweise abzusetzen und durch neue Gesetze, welche dem heutigen Leben im Staat und im Privatbereich angepasst sind.

Das bedeutet nicht, dass man sich von Traditionen total loslöst; sehr oft geht es um eine erneuerte Weiterführung, um Kontinuität zu wahren. Selbst vieles vom kolonialen Recht kann angepasst werden.
Vorrangig betrifft diese Gesetzgebung den ländlichen Bereich, eine Landreform, die privaten Besitz legalisiert, unterscheidet zwischen verschiedenen Zonen, um Spekulationen möglichst zu vermeiden.
Eine radikale Erneuerung braucht das Strafrecht; prinzipiell braucht es ein öffentliches Strafrecht: Familienrache muss vor allem zu Beginn ganz hart geahndet werde, Blutrache und Hexerei vergiften jedes soziale Klima.
Afrika soll vom Konzept der westlichen Gefängnisse wegkommen; man soll Straffällige, wo immer möglich, für öffentliche Arbeiten einsetzen. Leider hat der Kolonialismus den Strafvollzug durch öffentliche Arbeiten total missbraucht, und er ist mit tief sitzenden Vorurteilen belastet.
Die Sharia als Strafgesetz ist im heutigen Verständnis von Menschenrechten unzumutbar. Die Sharia hat sich genauso wie das traditionelle Recht Afrikas von einem Männerchauvinismus abzuwenden; der Frau müssen die gleichen Rechte wie dem Mann gewährt werden.
Mädchen haben sowohl vor Beschneidung als vehement vor militärischem Missbrauch rechtlich geschützt werden.
Die Polygamie kann langsam durch ein anderes Sozialrecht abgelöst werden. Polygamie kann unmöglich moralisch angegangen werden.
Es geht nicht, wenn in einem Nationalstaat (wie etwa Nigeria) zwei Rechtssysteme nebeneinander stehen.

 

  • 2. Priorität hat angesichts der heutigen Lage eine radikale Stadtpolitik, die von der Architektur bis zur Kehrichtbeseitigung reicht.

Eine beinahe mythologische Landwirtschaftsorientierung, die dazu erst noch bis heute fast nichts brachte, hat die ganze Weite und Breite einer gezielten und stolzen Urbanisierung verhindert. Angesichts einer rasanten Wucherei von Megastädten ist auf dem ganzen Kontinent, von Kairo bis Kapstadt, von Dakar über Lagos bis Luanda, von Nairobi bis Kinshasa die Stadt Sorgenkind Number One. Afrika hat die Stadt nicht in Händen – und zwar in jedem Bereich: von der Kultur bis zum Abwasser. Die Städte Afrikas stinken mehr als andere Städte der Welt; sie sind verstopft; sie reizen mehr zum Überfall als zum Flanieren.

Eine neue Orientierung muss mit Architektur beginnen. Der ganze Kontinent kennt kaum städtische Bauwerke, die faszinieren und ausstrahlen. Man baut etwa eine neue Hauptstadt wie Abuja und hat nur money and administration im Kopf. So etwas wie Brasilia kennt man südlich der Sahara nicht. Afrikas Städte sind Keimzellen der Kriminalität und Verrohung, von Abfall und Abgasen, von Stau und Ausweglosigkeit. Stadtbauten können zu Symbolen und Visionen werden, können richtig aufstellen und mitnehmen. Wahrzeichen können geschaffen werden. Eine Stadt kann schwingen – bis zu einzelnen Dächern.

Um solches zu ermöglichen hat eine Regierung zu administrieren; wenn jedoch diese bloss für sich selbst schaut, Geld verschleudert, wild spekulieren lässt, wird alles korrupt und geht kaputt. Ein Raumplanungsgesetz muss aus den neuen Landgesetzen hervorgehen.

Eine moderne Stadt muss mit den Autos schon bei der Planung rechnen. Es soll beides geben: breite Strassen und Alleen, Flaniermeilen und Einkaufsstrassen. Die Stadt soll auch innerlich weiterführen; soll ein Indikator für das Weitergehen sein.

Es soll fantasievolle Hotels neben Beizen mit Stammtischen, billige Unterkünfte und Jugendunterkünfte geben.

All das kommt nicht automatisch und von selbst aus sich heraus. Es muss von oben gepflegt und gesteuert werden. Dazu braucht es eine Stadt-Spiritualität. 
Abfall und Schmutz übertragen sich auch auf den Menschen und lassen auch ihn langsam degradieren.

Keine Stadt kann nur moralisch geplant und geführt werden. Jede Stadt braucht etwa Sex und Prostitution. Man kann daher beim Planen nicht wegsehen.

Jede Stadt braucht eine Polizei oder Wachen auf verschiedenen Ebenen: vom Schutz von Menschen und Materialien, von den Nacht- und Geschäftswächtern bis zu Verkehrspolizisten.

Gates communities dürfte keine gesunde Stadt zulassen. Diese führen zum Ausschluss, zur Diskriminierung, zur Apartheid und sind in sich gefährlich und schädlich.
Man wird sich an mittelalterlichen Städten Afrikas ein Vorbild nehmen. Sofort erkennt man, dass dahinter der Islam mit seiner Mystik der Stadt stand. Sehen wir uns etwas im Maghreb oder in der Sahelzone um.

 

  • 3. Eine Stadt ohne öffentlichen Verkehr hat keine Zukunft: sie fährt sich tot.


Viele Entwickler bilden sich ein, dass Verkehr nicht zu ihrem Gebiet gehöre. Sie sehen Verkehr bloss als ein Übel. Doch der Mensch ist beweglich und will bewegt werden und sein.

Eine angenehm wirkende Stadt besitzt eine Tram oder ein Strassenbahn; es kann auch ein Trolleybus mit eigener Spur sein.

Selbst ans Taxiwesen muss mehr als bis anhin weltweit gedacht werden.

Zum Verkehr einer Stadt gehört selbst das, was von hier ausgeht und hierher zurückführt: Überlandbusse, Busse müssen auch in die Vorstädte fahren.

Flugverkehr in grossen Ländern, um von der Hauptstadt rasch aufs Land zu kommen. Das können in Zukunft Easy Jets oder Helikopter oder Zeppeline sein.

Städte, die an Küsten liegen, müssen eine Hafenkultur entwickeln oder einplanen.
Die Frage, ob privat oder halb-staatlich, kann hier nicht beantwortet werden.

 

  • 4. Heute hat man nicht Grenzen zu schützen, sondern Menschen und Güter in Städten (und auf dem Land) zu schützen. Deshalb muss systematisch die Bedeutung des Militärs abgebaut und gar minimalisiert werden.


Die Armee ist zwar ein sehr emotionales Thema, aber letztlich die grösste Verschleuderungsmaschinerie der Menschheit. Afrikas Staaten können sich das Militär gar nicht leisten. Zudem ist heute fast zu beweisen, dass je grösser das Militär desto unsicherer das Land. Die Armeen sind wie Bürokratien eigengesetzlich.

Die meisten Armeen verwildern ohnehin und werden immer mehr zu lokalen Truppen unter einem War Lord, der somit Macht und Geld in einem hat. War Lords von Somalia bis Liberia zeigen, dass es um Geld geht und längst nicht mehr um Landesverteidigung.

Und selbst wenn es eine Nationalarmee in Afrika gibt, ist sie fast in allen Ländern in den Händen der korrupten Herrscher. Eine Abschaffung würde momentan keinem einzigen Land schaden.

 

  • 5. Es gilt, auf dem ganzen Kontinent eine Sozialpolitik systematisch aufzubauen. Afrikas Menschen müssen sich von der totalen Abhängigkeit von der Gross-Familie lösen. Das ist letztlich inhärent bei einem Übergang von einer Agrargesellschaft zu einer urbanen Lebensweise. Um zu dieser fundamentalen Veränderung zu kommen, braucht es ein Abrücken von Paternalismus sowohl in der Familie als auch im öffentlichen Leben. Industrialisierung ist Teil der Demokratisierung.


Ganz von unten und klein haben Kranken- und Altersversicherungen an Afrika angepasst entwickelt zu werden. Eine solche Politik schliesst eine Wohlstandsverteilung ein. Solches ist jedoch ohne ein faires Steuersystem nicht möglich. Volle Gerechtigkeit gibt es weder in Afrika noch auf der Welt. Das menschliche Bemühen zusammen mit dem Staat, in dem die Menschen leben, muss ein Zusammenleben ohne zu grosse Kontraste ermöglichen. Abgründe müssen dauernd etwas überbrückt werden. Das hat die politische Philosophie stets betont, sofern Politik und Staat zur Wohlfahrt beitragen und sie sukzessive ausweiten sollen.

Zur Sozialpolitik gehören auch Versicherungen. Afrika hat wirklich eine Katastrophenversicherung notwendig. Zur Versicherung gehören aber auch die sie abschützenden und umgebenden Rahmenbedingungen. Hungersnöten kann vorgebeugt werden, indem Lager angelegt werden. Diese Lager dürfen nicht wie eine Bank zur Spekulation missbraucht werden (wie etwa in Mali und Malawi 2004 und 2007 geschehen).

 

  • 6. Vielleicht muss Afrikas Bankenwesen solchen sozialen Anliegen angepasst werden. Eine Bank sollte primär der Sicherheit und nicht der Spekulation dienen.


Es gelang bis heute nicht, ein solides lokales Banksystem aufzubauen. Vielleicht hat man kleiner und noch mehr lokal zu beginnen.

Was der ganze Kontinent bestens gebrauchen könnte, wären Kleinkredite. Man kann auf diesem Kontinent nicht einfach Asien kopieren – etwa mit dem System der Grameenbanken in Bangladesh. Afrika ist sehr spät, erst etwa um 1900 herum, in die Geldwirtschaft eingetreten und besitzt daher keine Tradition im Umgang mit Geld, zumal noch immer fast 90% in der informellen Wirtschaft leben. Gerade auf diesem Sektor wird es viel Geduld benötigen.

Wer leichter einsteigt sind die Frauen, die auf dem Kontinent – vor allem in Westafrika – mit Handel und Markt zu tun hatten. Aus dieser Tradition heraus haben Frauen etwa in Kamerun ihr eigenes System erfunden, das angepasst und auch echt afrikanisch ist. nämlich Tontine, bei der Frauen einmal, etwa monatlich, zusammenkommen und jede gleich viel in einen Topf wirft, dessen Inhalt am Schluss eines Essens eine einzige Frau erhält; das nächste Mal kommt eine weitere an die Reihe. Die Frau kann mit dem Geld machen, was sie will.

Die ganze Verschuldung hat sehr viel mit Mentalität oder Denkweisen zu tun: man zahlt letztlich keine Zinsen und man gibt bloss das Geborgte unter Umständen,. zurück. Was mit dem Staat geschieht, dafür fühlt sich niemand verantwortlich.

So war es auch bei den SAP, den Strukturanpassungsprogrammen. Die Regierungen standen nicht zusammen und auf gegen den IWF; ja, im Gegenteil, sie meinten, durch Flattieren und larmoyant Jammern (mit einigen bösen Linken im Rücken) den IWF davon abzubringen. Gleichzeitig schützten die Oberen und Reichen sich selbst. Der IWF behauptet bis heute, kein afrikanisches Land sei aufgestanden, im Gegenteil, hätte sogar Unterstützung gegeben. Was das zeigt, ist eine Mahnung für die Zukunft: Jammerei im Nachhinein bringt nichts; aktive Politik besteht im Kampf, der auf Nachdenken, Analysieren und Staatsphilosophie besteht.

Afrika hat als Kontinent sich zu einer Währungsunion zu entwickeln, um mit einer Währung von den vielen Wechselspesen und Komplikationen loszukommen. Psychologisch gesehen sollte es sich weder an den Euro noch an den Dollar binden. Vielleicht besser an China.

 

  • 7. Afrika braucht in der heutigen Lage ein anderes Rechnungssystem.


Budgetjahr: Die westliche –und inzwischen auch asiatische – Abrechnung passt nicht in einen langwierigen Übergang hinein. Dass am Ende eines Jahres alles laut Budget ausgegeben werden muss, ist bizarr für Afrika südlich der Sahara (vielleicht mit Ausnahme von Südafrika und Zimbabwe). Vieles braucht einfach längere Zeit.

Das gilt vor allem für NGOs, also private Hilfswerke, die es viel leichter hätten, vor- und nachzugeben.

Familienspesen: Im heutigen komplexen Familienverbund muss ins Budget auch Teil der Familie einbezogen werden, vor allem solange es keine staatlichen Leistungen und Absicherungen gibt. Bei uns gilt es schliesslich auch als selbstverständlich, dass ein Broker oder ein Berater seinen Anteil erhält. Denkt euch in afrikanische Familien hinein: auch sie denken und leiden mit, vor allem aber leiden sie mit (mehr als jeder hochbezahlte Börsenspekulant im Westen). Man hat also in einem Entwicklungsbudget FEES einzubeziehen, und das darf nicht als Schmiergeld oder Korruption angesehen werden. Ein afrikanischer Mensch von heute braucht noch immer das gesamte Netz seiner Grossfamilie, ansonsten fühlt er sich nicht nur allein, sondern auch ohnmächtig und von allen Geistern bedroht.

Statt einem Budget braucht der Afrikaner wohl besser einen Focus oder einen zeitlich begrenzten Schwerpunkt.

 

  • 8. Afrikas Menschen haben vom stupiden Auswendiglernen wegzukommen; sie müssen kombinieren und verknüpfen lernen. Das wird auch Auswirkungen auf Forschung und Entwicklung haben.


Man kann in Afrika überall hin kommen, und alle westlichen Wissenschaftler beschweren sich darüber, dass seine Forscher einfach in den Tag hinein forschen, kaum etwas aufschreiben, nie zum Analysieren kämen. Jahrelang gehe es einfach so hin. So, wie die heutige Schule abläuft, entstehen dabei keine Forscher und Analytiker, sondern Repetitoren und Performer.

Es ist nicht selten, dass Forschungsprojekte einfach über Jahre hinweg laufen; den Wissenschaftern geht es nicht um Resultate sondern um ihr Geld. Viele afrikanische Menschen haben den Sinn der Forschung und Kritik noch nicht entdeckt.

Afrikas Schulsystem muss radikal umgekrempelt werden: weg vom französischen oder britischen oder europäischen Curriculum, hin zum eigenen, afrikanischen Weg. Was bringt es Afrikas Jugend, wenn sie Examen für andere Welten (Frankreich, England) machen? Was bringen ihnen Zeugnisse und Papiere? Dahinter steht eine Flucht. Zuhause könnte ein System entwickelt werden, mit dem sie später ihre Welt bewältigen könnten.

Afrika hat mehrspurig in die Zukunft hinein zu fahren: also kolonial und eigen, fremd und vertraut. Afrika wird in Zukunft auf allen Gebieten mit zwei Systemen leben: im Bereich der Religion, in der Medizin, im Erziehungsbereich, usw.

 

  • 9. Eine Kulturpolitik für afrikanische Saaten würde nicht nur ein anderes Schulsystem sondern auch Verlage, Galerien, Musikhallen, Tanzlokale, usw. bedingen. All das ist nicht einfach Luxus. Die Kultur ist der Boden, auf dem Veränderung langsam gärt und geschieht.


Die meisten afrikanischen Staaten haben keine privaten Verleger; alles, was verlegt wird, sind Schulbücher, die subventioniert sind, auch wenn sie von aussen kommen.

Solange so wenig Idealismus für ein Verlagshaus oder ein Kino u.a. besteht, und alle bloss an Income and Profit denken, geht auch im Land nichts, denn all das hängt zusammen.

 

  • 10. Medien- und Kulturpolitik gehen eng zusammen. Beide müssen frei sein, dürfen über die Leisten schlagen, ab und zu gar chaotisch sein, denn gerade das machen sowohl Kommunikation als auch Kultur aus.


In 100 Jahren sollte Zensur jedes Mal ein Staatsskandal sein. Wo Volk leben will, seinen Staat hat, ist jeder Eingriff in die Freiheit ein Volksverbrechen. Das muss heute schon allen Herrschenden klar gemacht werden. Damit würde denn auch ganz langsam Demokratie beginnen können.

 


Somit käme ich zum Anfang zurück, denn darum entwickeln wir (um das vieldeutige Wort überhaupt zu erwähnen). Zum Aufbau oder zur Entwicklung brauchen Mensch und Staat Freiheit, Lust, Initiative, Vision, Freude und Charme.

Nochmals sei es gesagt: natürlich gehen alle erwähnten Felder oder Bereiche ineinander über. Sehr oft wird es dann so sein, dass aus einem das andere fliesst. Am Anfang ist man verwirrt, und es scheint sehr schwer zu sein, aber einmal begonnen, macht es Spass und Lust. Vision hat damit zu tun.


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Al Imfeld, Febr. 2008