Afrika lebt von Mythen
Um in die Gegenwart zu kommen,muss Afrika noch manche Grenzen sprengensowohl auf dem Land als auch im Kopf
1. Mythos:
Afrika ist schwarz
Afrika ist ein Kontinent und an keine Rasse gebunden. Afrika ist primär eine geographische Bezeichnung; kein Kontinent gehört einer Rasse oder Farbe, denn jeder Kontinent ist eine Mischung und enthält vieles mehr oder weniger. Dieser Kontinent beherbergt schwarze, weisse oder gemischte, arabische oder San Menschen. Zu diesem Kontinent gehören AUCH die Minderheiten wie San, Khoi, Pygmäen oder Tuareg. Dieser Kontinent braucht auch keine schwarze Religion. Schlicht und einfach: ein Kontinent ist für alle/s offen, selbst wenn die ihn bewohnenden Menschen eventuell nicht wollen.
2. Mythos:
Black is beautiful: Unsere Identität ist schwarz; schwarz als kulturelle Idenität
Denken wir an Senghor mit seiner Négritude. Es entstand eine ganze Mythologie um dieses Schwarz herum. Man begann Schwarz zu verherrlichen; es wurde mystifiziert. Dichter folgten. Es entstand der grosse Klassiker Schwarzer Orpheus. Es erzeugte viel Enthusiasmus, aber verrauchte rasch. Das Gefühl allein brachte wenig. Man kannte höchstens alles vertuschen: die wirtschaftliche Misere, das politische Defizit. Auch Kwame Nkrumah und Kenyatta waren vom Mythos Black durchtränkt.
3. Mythos:
Afrika gehört zusammen, also ist ein Panafrika logisch;
Afrika ist eine kulturelle Einheit oder Realität
Den von den Briten kolonisierten stand ein afrikanisches Commonwealth vor Augen. Die Afrikaner des Westens waren stark von den Schwarzen in den USA beeinflusst Unter Marcus Garvey war dort vor dem 1. Weltkrieg eine Bewegung, die ganz Afrika als eine Einheit sah, entstanden Die USA Schwatzen meinten, dass alle Schwarzen zusammengehören und eins sind. Ganz stark davon beeinflusst und überzeugt war Kwame Nkrumah; er meinte, dass nach Auflösung des Kolonialismus Panafrika eine logische Folge sei.
4. Mythos:
Afrika ist sozialistisch
Während die Frankophonen von Senegal bis Madagaskar zu Black is beautiful hielten, gruppierten sich die Anglophonen mehr um den Afrikanischen Sozialismus. Die Hauptvertreter in immer wieder anderer Form waren Nkrumah, Kenyatta, Machel und Nyerere. Diese Annahme widersprach nicht etwa einem gewissen Kapitalismus, weil er mehr das Gemeinschaftliche betonte und eine Ausrichtung auf Panafrika einschloss.
Sozialistisch wurde wichtig im Kalten Krieg und im Verbund der nicht alliierten Länder, der sog. Dritten Welt, also zwischen Ost und West, einmal mehr auf Seiten des Westens, dann wieder auf der des Ostens. Es war ein Spiel um Geld, nicht um Überzeugung. Es war Taktik.
5. Mythos:
Unabhängigkeit kam wie ein griechischer Gott daher: sie geschah einfach, nein, sie fand statt und zwar verdient.
Sie kam einfach eines Tages. Sie fiel vom Himmel. Und nun musste es bloss logisch weitertropfen. Unabhängigkeit war und ist nicht das schiere Überreichen einer Fahne und das Absingen eines Kitschsongs. Eine Hymne ist meistens kitschig, weil sie etwas besingt, das es so nicht gibt; eine Hymne passt zu einem Mythos.
6. Mythos:
Es steht in der Schrift geschrieben oder Es wurde uns gesagt
Die Afrikaner sind von biblischen Mythen durchtränkt. Diese kamen nicht etwa primär über Missionare dahin. Sie nahmen den Umweg über die Schwarzen in den USA. Instrumental waren die Konzepte Garveys, die anhielten bis zu den Rastafari. Es existierten in Schwarzamerika drei grosse einflussreiche Mythen.
- Das neue Zion befindet sich auf dem abessinischen oder später - das Mythische geradezu untermauernd - äthiopischen Hochland, um Adis Abeba herum; mit Kaiser Haile Selassie, der seit unendlicher Zeit regierte, ist der neue Prophet,
- Die Königin von Saba (auf der saudischen Halbinsel) und Salomon bauten oder liessen die legendären Ruinen von Great Zimbabwe bauen.
- Das Zeichen der Zukunft ist der Staat Liberia. Liberia wurde von schwarzen Ex-Sklaven, besser von der American Colonization Society, 1822 begründet und wurde zur ersten Demokratie auf dem Kontinent. Hinterfragt wurde das nicht, denn sofern Amerikaner dahinter standen, konnte es nur eine Demokratie sein. Die US haben Liberia auch nie als Kolonie bezeichnet.
7. Mythos:
Unabhängigkeit ist verdient
Jede Unabhängigkeit muss errungen – sei sie ausgehandelt oder gar erkämpft – werden. Freiheitskämpfer setzten sich für etwas ein, das – wie sie annahmen - ihnen gehörte und realisierten nicht, dass es nirgends um Wiederherstellung alter Territorien oder Reiche ging. Es ging um nichts weiteres, als um das sich Loslösen einer Kolonie oder eines zufälligerweise ausgehandelten Stück Landes, einem Land, das so nur die Kolonialgeschichte kannte. Sie kämpften um sehr, sehr abstrakte Dinge, wie etwa ihr Land, ihr Volk. Als daher die Unabhängigkeit kam, hingen sie alle in der Luft; es blieb ihnen nichts anderes übrig, als gleich wie die Kolonialisten weiterzufahren. Nur waren die Herrschenden nun die Eigenen und das erschwert alles. Die sog. Freiheit war aufgebaut auf etwas, das nie ihr eigen, sondern kolonial war.
8. Mythos:
Klappt etwas nicht sofort, dann sind andere schuld
Alles kam plötzlich, doch das Plötzliche ist Teil des Mythos. Man begriff Unabhängigkeit nicht als einen Prozess oder Vorgang, als etwas, das entwickelt und ausgestaltet werden muss. Nein, in Afrika übernahm man oder löste ab; so war plötzlich ein anderer da und stand letztlich dem Gleichen wie zuvor vor. Die meisten afrikanischen Menschen sind Meister im Beschwören von Sündenböcken. So wie man zuerst die Ahnen befragt, bevor man sich selbst hinterfragt, so schiebt man alles zuerst nach aussen, zu anderen, bevor eine Lokalanalyse gemacht wird.
9. Mythos:
Zukunft liegt im Blut und wird nicht erarbeitet
Die Zukunft liegt bei den Ahnen, also der Vergangenheit. Die Bantusprachen kennen im Grunde genommen kein Futurum, bloss ein Aneinanderreihen wie morgen, übermorgen, überübermorgen… Diese Denkweise hat Afrika keine Grossreiche beschert – ausser dort, wo der Islam im Norden ganz andere Denkweisen hineinbrachte. Afrika südlich der Sahara kannte den Häuptling und um ihn das Kleinreich. Alles hing an seiner Verwandtschaft, kam aus seinem Blut und dem Blut der Ahnen. Es ist daher wichtig, wie man sich verschwägert und wen man ins Netz hinein nimmt. Diese so entstandenen Gebilde sind letztlich nicht Stämme sondern Grossfamilien. Wann der Übergang zum Volk stattfindet, ist eine offene Frage und bleibt mir vorderhand unbeantwortet.
10. Mythos:
Den biblischen Vorzeichen entspricht eine afrikanische Heroenschar
Zur Zeit der Gärung, also nach dem 2. Weltkrieg, holten Dichter und Schriftsteller zwei grosse Heroen hervor und verherrlichten sie – bis zur Göttlichkeit.
- Sundjata im 13. Jahrhundert; der Begründer des Mali-Reichs, das einst vom heutigen Senegal bis nach dem Tschad, durch den ganzen Sahel hindurch, reichte. Mali wurde hochstilisiert, die Gesänge der Griots re-animiert. Afrika kehrte zur grossen Vergangenheit zurück. Einer dieser neuen Helden war der grausame Diktator Guineas, Sekou Toure, ein Blutnachfahre von Sundjata. Sogar die Tochter Mandelas, Miriam Makeba, kam in seinen Kreis. Der Mythos zählte nicht die grausame Wirklichkeit.
- Chaka oder Tschaka, der Zulu, im Ostkapgebiet Südafrikas, der verschiedene Hirtenvölker zu einem Kriegervolk zusammenschmolz. Er muss ein grossartiger Feldherr gewesen sein, jedoch grausam, gnadenlos, und jähzornig, Wann genau er stark oder gar umgebracht wurde, wissen wir historisch nicht, obwohl es zu Beginn des 19. Jh.s erst geschah. Ein Teil löste sich rasch los. So kamen Versprengte nach Norden und wurden das Volk der Sindebele um Bulawayo, Zimbabwe, herum. Für das südliche Afrika erhielt diese Gestalt im 20. Jh. grosse Wirkkraft.
11. Mythos:
Das traditionelle Afrika war friedlich und löste seine Probleme mit Palaver unter dem Baobab Baum.
Es heisst immer wieder: „Bevor die Europäer kamen, da war bei uns alles friedlich.“ Erstens gab es seit dem Mittelalter die arabischen Sklavenjagden. Im Islam wurde die untere Schicht Afrikas bewusst nicht bekehrt, denn jemand, der den Koran auswendig kann und sich an die 5 islamischen Gebote hält, darf nicht versklavt werden. Moderne Geschichtsforschung hat festgestellt, dass sich Kleinvölker gegenseitig ausgespielt haben oder haben dem Nachbarvolk Menschen gestohlen, die man anstelle seines Anteils an Sklaven den jährlich regelmässig auftauchenden arabischen Sklavenhändlern übergab. Selbstredend, dass solches Verhalten etliche Spannungen schuf. Ein ghanaischer Mischling, der in der Schweiz lebt, hat zu diesem Thema einen packenden Roman geschrieben. Sein Penname ist Yaw Boateng, Titel The Return, veröffentlicht 1977. In der zimbabweschen Literatur hat Chenjerai Hove solche Themen aufgenommen.
Einige Mythen wurden in Europa aufgegriffen und unkritisch geglaubt. Man sah die Realität dahinter selten, etwa schon damals korrupte Häuptlinge, Land- und Grenzschwierigkeiten, immer wieder migrierende Gruppen, die auf der Suche nach Land oder Wasser waren. Historisch wurde in letzter Zeit in Kenya dieses Thema aufgearbeitet. Die Luo drangen bei Hunger vom Norden (Sudan) her ein und die Bantu versuchten sie anzusiedeln. Zu Spannungen kam es, weil die einen Viehzüchter und die anderen Hackbauern waren.
12. Mythos:
Ein Nationalstaat ist die logische Nachfolge einer Kolonie
Es wurde zwar von Nation-building gesprochen, doch dieses geschah eher hilflos und diente mehr dem Formen eines Zentralismus. Doch wie – das sage mir einer – formt man plötzlich einen nationalen Einheitsstaat, wenn es darin 400 Völker und Sprachen gibt – wie etwa in Nigeria oder Tansania?
Zu Beginn war gar kein Staatsbewusstsein im Land herum vorhanden; es war letztlich seit Beginn der Unabhängigkeit Personenkult.
Die neuen Staaten dienten nie der Bevölkerung (direkt); sie waren Pfründen. Die gesamte Politik ist parasitär; wer an Politik Anteil hat, ist privilegiert.
Eine Aufopferung fürs Vaterland kennen Afrikaner kaum: man dient, um zu verdienen: Dienst im westlichen Sinn kennt er nicht.
Zudem kamen am Ende der Kolonialzeit exakt die Skrupellosen an die Macht, doch so etwas geschieht in der Realität weltweit, denken wir an das Ende des 2. Weltkriegs oder das Ende der DDR. Man konnte doch nicht alle Involvierten einsperren oder gar umbringen.
13. Mythos:
Nation fordert Grenzen, die abgeschirmt werden müssen. Grenzschutz ist der Beginn der Nation
Mit der Unabhängigkeit war ein noch unnatürlicheres Gebilde, eine Kolonie, losgelöst aus dem Verbund vieler anderen zuvor, losgelöst worden. Sehr oft war Nation-building nicht mehr als Grenzschutz. Man hatte nun eine Grenze, die absolut geschützt werden musste. Ein afrikanischer Unsinn bei all der Durchlässigkeit überall. Dieses starre Grenzdenken schon dem Militär gewaltige Macht zu. Dieser Grenzschutz geht bis ins Ökonomische hinein. Alle 54 afrikanischen Staaten haben übermässigen Grenz- und Zollschutz, Zölle, Gebühren oder Papierkram. Afrikas Länder hätten zuerst ihre Grenzen zu öffnen, bevor sie vom Westen diese verlangen.- So etwa musste die Ostafrikanische Union (EAU) zerfallen; alle drei Beteiligten meinten, dass sie mit offenen Grenzen Identitätsverlust erlitten.
Diese strikte und beinahe unsinnige Wahrung der Grenzen hat die OAU dauernd zu einer Farce gemacht, denn niemand duldete eine Einmischung und schon gar nicht eine Kritik. Die Nachfolge AU hat sich nicht erneuert, sondern nur den Namen gewechselt.
14. Mythos:
Veränderung heisst Namenwechsel; anstatt etwas zu tun, wechselt man das Wort, resp. den Namen
Wir haben es soeben an einem Beispiel gesehen. Afrikas Politiker und Regierungen konferieren, reden, schwadronieren, vertagen, … geben schlussendlich dem Ding oder Problem einen neuen Namen und glauben, der Name werde die Veränderung einleiten.
Diese Politik hat zu über hundert neuen Benennungen von Ortschaften geführt und das geschah immer auch im Glauben, dass mit dem neuen Namen die Entkolonisierung passiert ist. – Gut es ging auch um Afrikanisierung wie etwa von Salisbury zu Harare, von Lorenco Marques zu Maputo, etc.
Die grösste Tragödie des Ganzen ist jedoch, dass letztlich der früheren Kolonie ein neuer Name gegeben wurde und alles fortlebt immer in der magischen Annahme, dass mit der Zeit der erneuerte Name die Entkolonisierung vornehme. Vielleicht.
Ausser vielleicht Südafrika mit dem ineinander verschachtelten und über einander geschichtete Kolonialismus von den San zu den Buren, später Briten und Bantu/Zulu tragen alle anderen 53 afrikanischen Staaten von heute das Siegel des 19. Jahrhundert Kolonialismus in sich. Nicht dass man mich falsch verstehe, ich weiss, dass niemand dieser kolonialen Geschichte entrinnen kann, aber ich verlange etwas mehr als ein blosses Umtaufen. Entkolonisieren muss langfristig definiert und geplant werden.
15. Mythos:
Eine Demokratie wächst mit der Zeit
So wie nach einem Sturz eines Diktators nicht automatisch Demokratie folgt, genauso wenig nach der Entkolonisierung eine heutige Demokratie entsteht. Es ist eine Irrlehre, an die viele Afrikaner glauben, dass Demokratie mit der Zeit langsam entsteht und wächst. Demokratie muss gemacht, gestaltet, anvisiert werden. Demokratie ist nicht ein Resultat eines Evolutionsprozesses; sie muss geglaubt, gestaltet und dauernd neu errungen werden. Gerade nach der Kolonialzeit ist viel Militär machtvoll und einflussreich vorhanden. Die werden dauernd meinen: „Es ist noch zu früh.“
Weiter, eine Demokratie kommt nie und einfach von oben, verordnet und eingeführt, nein sie muss unten gepflegt werden. Zivilgesellschaften müssen gegründet werden, Verantwortung nach aussen und unten delegiert werden.
Eine Demokratie kann nicht entstehen, wo massive Kontrolle, Zensur und Spionage vorhanden sind. Der Geheimdienst muss genau so wie das Militär rigide eingegrenzt werden.
Momentan gibt es in Gesamtafrika eher eine Demokratie ohne Volk.
16. Mythos:
Der Mensch muss oder „man“ muss Zeit haben, um die Demokratie einzuführen.
Afrikas Menschen denken immer noch hierarchisch und paternalistisch. Sie lassen den pater familiae bis zum Ende gewähren und würden eine Abwahl als Frevel und Beleidigung der Ahnen empfinden. Zwar ist man nicht mehr ganz sicher, aber in der Unsicherheit ist das Jetzige besser als…Vielleicht ist das Volk auch realistisch und denkt insgeheim: Einen Besseren kriegen wir sowieso nicht. Man sieht alles um sich herum ohnehin verdorben.
Afrikaner sehen ihren Chef genauso wie Katholiken den Papst, der auch nicht abdanken kann. – Dann sind doch da noch immer andere Kräfte: warum greifen diese nicht ein, falls es so falsch ist? Es muss sogar Kräfte geben, die das Volk drängen.
Falls also der Glaube, dass Demokratie erkämpft werden muss, nicht zunimmt, wird dieser Geisterglaube (heute nennt man es bereits Voodoo) fortleben und genau dieser ermöglicht es Diktatoren zu manipulieren. Man konnte solches feststellen von Amin zu Bokassa, von Banda bis Mobutu, u.a. Sie alle manipulierten mit Magie. Hochaktuell ist dieser Fetischismus in Togo und Benin.
17. Mythos:
Opposition sei die Gegenkraft gegen Sesselkleber
Da es bis heute in Afrika gar keine Demokratie gab, weiss letztlich niemand, was Opposition ist. Opposition ist nicht nur eine Sammlung Unzufriedener. Sie benötigen ein Programm oder gar eine Alternative. Ich habe in allen Ländern Afrikas noch nirgends eine echte Opposition gefunden, bloss Unzufriedene und Machtstreber. Selbst an die Macht zu kommen, das ist noch längst nicht O. So wie die Lage momentan ist, begreift man, warum es in einem jeden Land so viele Oppositionsparteien gibt. Sie sind alle um einen Chef, d.h. Interessenvertreter herum wie Claqueure angesammelt. Sie schreien und tanzen und hoffen auf ihren Zahltag nach der Wahl. Wer da wirklich an Opposition glaubt, ist blind. – Wenn sich nicht all diese Oppositionen zusammenschliessen können, ist noch keine Demokratie eingekehrt, denn Demokratie verlangt auch Verzicht, Zurücktreten und Kompromisse. O. ist mehr als einfach in die Luft-hinaus-Schimpfen.
Afrika insgesamt hat erst einen Wahlkampf zu lernen.
18. Mythos:
Entwicklung ist ein neues mythisches Wort
Development ist das neue Mode- oder Fangwort. Alle wollen Entwicklung; die meisten verstehen darunter Geld, das vom Ausland fliesst. E. bedeutet Modernisierung und Anschluss an den Westen.
Diese EH hat dem Kontinent insgesamt geschadet. Sie führt zum Irrglauben, dass das Gute von aussen, von oben und als Geschenk kommt.
(Darüber ist genügend geschrieben und gesagt worden, also übergehe ich Weiteres)
19. Mythos
Entwicklung wird beliebig mit anderen Wörtern ersetzt und so wird sie zum Wortspiel von Entkolonisieren bis Befreien, aber auch das Gegenteil von Amerikanisierung und Neokolonialismus
Ich will diesen Mythos kurz und knapp fassen; ich will ihn illustrieren..
In Mythen sind Götter leicht ersetzbar oder auch wandelbar; sie werden dann vieldeutig. Sie enthalten gut und böse in einem, z.B. der Yorubagott Ogun ist der Zerstörer oder Verursacher von Verkehrsunfällen, aber auch der Patron der Schmiede und Künstler. Ein solches Wort ist für den Afrikaner Entwicklung: sie bedeutet alles, Fluch und Segen in einem.
Entwicklung ist zum Vorgang geworden, wo etwas geschieht, damit letztlich nichts geschieht. In der Financial Times wurde das sehr gut charakterisiert: „Reform in order to change nothing.“
Arbeit bleibt meist ausgeschlossen, denn zu Arbeit haben Afrikaner traditionell ein negatives Erlebnis mit Sklaverei und Kolonialismus verknüpft. Für die meisten kommt mythisch das Gute als Geschenk von oben oder von aussen. Arbeit ist negativ und dennoch braucht man sie: ist etwa Arbeit eine versteckte Form des neuen Kolonialismus? Ist das Neoliberalismus? Also geht bei den Afrikanern manches im Wirbelwind im Kopf durcheinander. Das wirkt sich bei Konferenzen oder Grossveranstaltungen aus.
20. Mythos:
Afrika sollte bleiben, was es einst war, denn damals war es glücklich. Somit sollte die Welt Afrika subsistent lassen.
Ich muss niemandem hier diesen Satz und was alles er impliziert erklären. Wir würden in einer katastrophalen Tragödie enden.
Ganz kurz, denn es wurde im vorangehenden Text bereits mehrere Male implizit gesagt:
- Afrika war niemals nur glücklich. Die Klage, der Kolonialismus habe Afrika kaputt gemacht, denn müsste ehrlicherweise gefragt werden, was denn alles ging seit 1960 kaputt? Seit dem 8. Jahrhundert gab es den Sklavenhandel. Im Osten, von der Suaheliküste aus, wurden kastrierte Pagen an alle Kalifen- und Fürstenhäuser, und zum Kaiser von China bis nach Indonesien verkauft. Ein Damals hilft nichts und niemandem.
- Eine pure Form von Subsistenzwirtschaft ist eine Unmöglichkeit. In Afrika erst recht, da nur etwa 13% der Böden reichlich fruchtbar sind. Afrika muss zu Geld kommen, aber wie? Bestimmt kaum mit der Landwirtschaft. Wahrscheinlich wohnen bereits über 60% der Bevölkerung in Städten. Was bedeutet das? Darf da der ehrliche Gutwillige hier der Subsistenz soviel Gewicht geben. Afrika war (wenn ich schon an das Damals erinnere) traditionell eher ein Gebiet des Handels, daher kam auch soviel Migration.
Schluss:
Mit 20 Mythen habe ich dieses Afrika von heute umkreist, ging von einem zum anderen, tastete ab und zeigte auf, wo alle besonders vorsichtig sein müssten. Ob eine Mythenbereinigung auch an uns liegt? Selbstverständlich. Solange wir selbst die meisten diesen Mythen im Kopf präsent haben und bei Projekten und Begegnungen davon ausgehen, dann haben wir uns philosophisch geirrt.
Was die Analyse der Bekehrungen übrigens zeigt: Zuerst muss ich mich bekehren, dann wird mir der andere nachfolgen, vielleicht eingehen, um mitzugehen.
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Al Imfeld
Vortrag in Dielsdorf am 10. 3. 06
im Philosophe, Forum & Bistro