Gantry 5

Wer aus Dakar, der Hauptstadt Senegals, heraus und gegen  Thiès fährt, wird an der Strasse immer wieder Äste mit dunkelgrünen Blättern angeboten sehen, ganze Sträucher oder einzelne Zweige. Die letzten 5 Kilometer vor Thiès will das Angebot nicht mehr enden.

Der Fremde nimmt an, es handle sich um Viehfutter. Natürlich ist es das auch, aber der geheimnisvolle Busch-Ast ist eine Apotheke. Es handelt sich um den Kinkéliba-Strauch (im Deutschen eher Kinkeliba), eine der geheimnisumwittersten Pflanzen der Sahelzone. Wissenschaftlich heisst dieser Strauch Combretum micranthum, eine Pflanzenart aus der Gattung der Langfäden  und gehört zu den Magnoliopsida. Kinkeliba ist eine der häufigen Arten des Tigerbuschs und kommt besonders auf Lateritkrusten vor. Er ist präsent in der westafrikanischen Sahelzone, in den tropischen Savannen von Senegal, Mali und Burkina Faso. In der Wolof-Sprache wird er Segweou genannt; Kinkeliba selbst ist ein Mandinka- Wort.

Kinkeliba tönt in diesem Sahelstaub wie ein Trostlied für Tier und Mensch. Die Menschen bereiten Tee aus den zähen Blättern, um Übergewicht zu verhindern oder um sich gegen Malaria zu schützen. Selbst das Holz besitzt eine heilende Ausstrahlung und wird daher beim Flechten von Stühlen und Betten benutzt. Man sieht ab und zu sogar, wie aus der Staude kleine Hacken zum Lockern der Erde etwa eines Gartens hervorgezaubert werden.

Es soll der beste Tee sein, den man in der Trockensavanne bei Temperaturen um die 40 Grad brauchen kann. Da jedoch dort auch das Wasser kostbar und rar ist, ist eine Mischung von Kinkeliba und Wasser das Geheimnis einer tüchtigen Hausfrau ist. Man stösst langsam die Kinkeliba – Blätter in kochendes Wasser, lässt das Ganze langsam abkühlen, um es als Tonic zuhause oder unterwegs zu geniessen.

An eine ganzheitliche Unterstützung der menschlichen und tierischen Gesundheit glauben die Menschen dieser Gegend fest. Weil also eine grosse Nachfrage besteht, wird dieser Strauch von Frauen am Strassenrand verkauft. Wenn Menschen der Stadt fast alles vom Land bereits zu vergessen beginnen, bleibt doch eins, und das ist die fast magische und allseitige Wirkung des Kinkeliba Strauchs. Man stellt sogar einzelne Zweige wie einen Blumenstrauss in Fasen entweder in die Ecke oder auf den Tisch des Wohnraums. Was für andere Kulturen der Olivenzweig ist, ist für die westafrikanische Sahel-Savanne Kinkeliba.

Der Strauch findet sich auch in westafrikanischer Literatur, etwa bei der vielfach preisgekönten Ken Bugul, Die Nacht des Baobab (Unionsverlag, Zürich 1991).

Die Wissenschaft nimmt sich endlich auch afrikanischer Sträucher an. 2007 veröffentlichten Sanon, Kabore-Zoungrana & Ledin einen wissenschaftlichen Essay zum Verhalten von Ziegen, Schafen und Vieh beim Fressen von Kinkéliba.

 

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Al Imfeld, 04. 09